Wir können Klimawandel, Marktveränderungen und gesellschaftliche Herausforderungen nicht allein lösen

Werfen wir einen Blick auf die Gesetzgebungsverfahren der letzten fünf Jahre. Es fällt auf, dass bei für Landwirtschaft und Weinbau wesentlichen Verfahren, die zum Beispiel Pflanzenschutz, Biodiversität, Alkoholpolitik oder auch den Geoschutz betreffen, der Agrarausschuss im EU-Parlament nur eine untergeordnete oder keine ausreichend starke Rolle spielen konnte. Für den Weinsektor war es daher oft mühsam, den Abgeordneten sektorspezifische Interessen zu erklären und zu vermitteln. Eine wesentliche Herausforderung nach den EU-Wahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 wird daher darin bestehen, dem Agrarausschuss gegenüber dem aktuell dominanten Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (kurz: ENVI) wieder mehr Gewicht zu verleihen. Wenn Debatten weniger polarisiert verlaufen sollen, müssen die Gesetzgebungsvorschläge mehrere Ausschüsse durchlaufen und die Landwirtschaft muss ihren Platz und ihre Kompetenzen zurückerhalten. Das gilt auch für die Europäische Kommission! Wir brauchen einen Agrarkommissar, der im Kollegium der Kommissare ein gewichtiges Wort mitzureden hat.

Die Forderung der Branche nach stärkerem Einfluss und stärkerer Berücksichtigung können wir auch guten Gewissens formulieren, denn der Weinsektor leistet einen bedeutenden sozioökonomischen und ökologischen Beitrag für die EU. Hervor geht diese Feststellung aus Ergebnissen einer von der EU-Weinbranche (in diesem Fall das Comité Vins) bei der Unternehmensberatungsgesellschaft PWC in Auftrag gegebenen und jüngst veröffentlichten und im EU-Parlament präsentierten Studie. Die dargestellte Gesamtbilanz des Weins für die Gesellschaft der EU ist beeindruckend und eindeutig positiv. Mit fast 3 Millionen Arbeitsplätzen und einem Beitrag von 130 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt der EU im Jahr 2022 spielt der Weinsektor eine fundamentale Rolle für die sozioökonomische Nachhaltigkeit ländlicher Gebiete der EU. Die komplexe Wertschöpfungskette des Weinsektors generiert dabei nahezu denselben Marktwert in allen Produktionsstufen – von der Traubenkultivierung über die Weinherstellung bis hin zur Vermarktung. Die Studie zeigt auch, dass die EU den Weltweinmarkt mit 62 Prozent der globalen Weinproduktion und des Handels dominiert. Wein hat sich laut der Studie auch als ein wichtiger Faktor für den Tourismus und damit als wichtiger wirtschaftlicher Sektor in vielen ländlichen Regionen erwiesen. Auf der Umweltseite trägt der EU-Weinsektor mit seinen über 3,2 Millionen Hektar Weinbergen in vielerlei Hinsicht zur Nachhaltigkeit der europäischen Umwelt bei, etwa durch die Erhöhung der Biodiversität, die Begrenzung der Bodenerosion und die Verbesserung des Wassermanagements.

Diese »Erfolgsgeschichte« unseres Sektors bleibt jedoch heikel. Sie muss durch eine weitere Anpassung des komplexen Rechtsrahmens für Wein unterstützt werden, während wir gleichzeitig unser Produkt vor »Angriffen« schützen müssen. Nicht nur der DWV, sondern auch die EU-Dachverbände haben zentrale Forderungen zu den EU-Wahlen formuliert (lesen Sie hier mehr dazu). Im Mittelpunkt stehen dabei die Themen GAP, Pflanzenschutz, Alkoholpolitik, Geoschutz und Marktstabilisierung.

Wir können Klimawandel, Marktveränderungen und gesellschaftliche Herausforderungen nicht allein lösen. Deshalb ist eine Unterstützung des Weinbaus von Seiten der europäischen Politik unerlässlich!

Christian Schwörer
DWV-Generalsekretär

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