DWV-Stellungnahme zur Auslegung des Begriffs „Herstellung“ in Art. 5 Abs. 8 VO (EU) 2021/2117

Quelle: DWI

Mit der Veröffentlichung des Korrigendums im Amtsblatt der Europäischen Union, mit der wohl um den 27.07.2023 zu rechnen ist, wird feststehen, dass die Übergangsvorschrift zur Einführung der Nährwert- und Zutatenkennzeichnung verkürzt für Weine folgenden Wortlaut hat:
„Wein, der den vor dem 8. Dezember 2023 geltenden Kennzeichnungsanforderungen nach Artikel 119 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 entspricht, und aromatisierte Weinerzeugnisse, die den vor dem 8. Dezember 2023 geltenden Kennzeichnungsanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 251/2014 entsprechen, und der bzw. die vor diesem Datum hergestellt wurde bzw. wurden, dürfen weiterhin auf den Markt gebracht werden, bis diese Bestände erschöpft sind.“
Es stellt sich für die Weinbranche nun die Frage, was unter dem Begriff „hergestellt“ zu verstehen ist. Zur Definition lassen sich verschiedene Anknüpfungspunkte finden, die wir im Einzelnen näher beleuchten und würdigen.

Wir fordern, dass die im Folgenden als Option 2 dargestellte Variante – das Anknüpfen an den Grundrechtsakt – bundeseinheitlich in Deutschland umgesetzt wird und die Erzeugerinnen und Erzeuger hierüber kurzfristig informiert werden. Die Regelungen haben insoweit – auch wenn sich Deutschland für einen Sonderweg entscheidet – auch für importierte Erzeugnisse zu gelten. Eine Benachteiligung des Deutschen Weines ist mit dem europäischen Recht nicht vereinbar.

1. „Hergestellt“ im WeinG

§ 2 Nr. 11 WeinG definiert Herstellen im deutschen Weinrecht. Hier heißt es: „jedes Behandeln, Verschneiden, Verwenden und jedes sonstige Handeln, durch das bei einem Erzeugnis eine Einwirkung erzielt wird; Lagern ist Herstellen nur, soweit dieses Gesetz oder eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnung das Lagern für erforderlich erklärt oder soweit gelagert wird, um dadurch auf das Erzeugnis einzuwirken“.
Dies hätte zur Folge, dass alle Erzeugnisse, auch der Jahrgänge vor 2023 einer Kennzeichnung bedürfen, wenn darauf eingewirkt wird. Dies wäre bei einer Lagerung im Holzfass oder auch bei der Herstellung von bspw. Winzersekt aufgrund der langen gesetzlich vorgeschriebenen Lagerung der Fall.

2. „Hergestellt“ in Bezug auf geschützte Ursprungsbezeichnungen

Die Verordnung (EU) 1308/2013 definiert für geschützte Ursprungsbezeichnungen die Herstellung. Hier heißt es in Art. 93 Abs. 4: „Die Herstellung im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a Ziffer iv und Buchstabe b Ziffer iv umfasst alle Arbeitsgänge von der Traubenernte bis zum Abschluss der Weinbereitungsverfahren mit Ausnahme der Ernte von Trauben, die nicht aus dem betroffenen geografischen Gebiet gemäß Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii stammen, und mit Ausnahme nachgelagerter Produktionsverfahren.“
Hier wird eine Voraussetzung definiert, um die Erzeugung von Weinen mit geschützter Ursprungsbezeichnung zu regulieren. Zur Sicherung der Herkunft sollen alle Schritte der Herstellung innerhalb der g.U. erfolgen, Art. 93 Abs. 1 a iv. Dies gilt jedoch bereits nicht mehr für Weine mit g.g.A., vgl. Art. 93 Abs. 1 b und ebenfalls nicht für Weine und Erzeugnisse ohne geografische Angabe.

3. „Hergestellt“ im Sinne der Verordnung (EU) 1308/2013

Die GMO enthält keine direkte Definition des Begriffs der Herstellung für Wein. Die delegierte Verordnung 2019/33 beinhaltet in Art. 46 jedoch eine Definition für den Hersteller. Gemäß Art. 46 Abs. 1 Buchstabe c ist „Hersteller“ eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung solcher Personen, die Trauben oder Traubenmoste zu Wein oder Traubenmoste oder Wein zu Schaumwein, Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure, Qualitätsschaumwein oder aromatischem Qualitätsschaumwein verarbeitet oder auf eigene Rechnung verarbeiten lässt.
Verkürzt ist ein Hersteller also eine natürliche oder juristische Person, die Trauben oder Traubenmoste zu Wein verarbeitet. Zwar ordnet der Artikel dies lediglich für zwei Buchstaben der Pflichtangaben an, lässt jedoch einen Schluss auf weitere Pflichtangaben, die neu geregelt werden in Art. 119, sowie deren Übergangsvorschrift zu. Dies gilt insbesondere, da der Grundrechtsakt für den Begriff der Herstellung von Weinen aller Erzeugungsstufen sonst keine Definition enthält. Ein einheitliches europäisches Verständnis ist hier geboten und durch den delegierten Rechtsakt vorbestimmt.
Die Definition von Wein findet sich in Anhang VII Teil II Nr. 1 der Verordnung (EU) 1308/2013. Hier heißt es: „Der Ausdruck „Wein“ bezeichnet das Erzeugnis, das ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen, auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmostes gewonnen wird.
Ein Hersteller hat Trauben demnach zu Wein verarbeitet, wenn die Gärung abgeschlossen ist. Anders formuliert ist ein Wein im Sinne der Verordnung 1308/2013 wohl als hergestellt anzusehen, wenn die alkoholische Gärung abgeschlossen ist.

4. Würdigung anhand von Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift sowie dem europäischen Binnenmarkt

Die Europäische Union formuliert in Erwägungsgrund 42 der Verordnung 2021/2117 zur Übergangsvorschrift: „Die Vermarktung bestehender Weinbestände sollte nach dem jeweiligen Geltungsbeginn der neuen Kennzeichnungsanforderungen fortgesetzt werden dürfen, bis diese Bestände erschöpft sind.“
Sinn und Zweck sind insoweit einfach zu bestimmen. Die EU möchte, dass die Winzerinnen und Winzer keinen Nachteil durch die neuen Regelungen erleiden.
Wenn man diesen Gedanken, sowie die kurze Frist bei noch anstehender Veröffentlichung des Delegierten Rechtsaktes zur Einführung des Art. 48 a der Verordnung (EU) 2019/33, die fehlenden Guidelines und die gerade erst erfolgte Anpassung der Übergangsfrist als Grundlage nimmt und mit den technischen Anforderungen sowie einem schützenswerten Vertrauen der Weinerzeugenden in eine eindeutige Abverkaufsregelung in ein Verhältnis setzt, so ist den Interessen der Winzer Vorzug zu gewähren. Hier sind insbesondere auch betriebliche und wirtschaftliche Gründe zu berücksichtigen! Eine praxistaugliche Regelung ist erforderlich!
Darüber hinaus heißt es aus mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass dort auf die Gärung als entscheidendes Kriterium abgestellt werden wird und auch aus der Europäischen Kommission gibt es entsprechende Stimmen. Ein engeres Verständnis in Deutschland wäre eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung im Binnenmarkt zu Lasten der regionalen Erzeugenden!

Insoweit ist die für Weinerzeugende weiteste Auslegung des Begriffs „hergestellt“, abstellend auf die alkoholische Gärung, zu bevorzugen. Die mögliche Behauptung, dass der Zeitpunkt der Gärung nicht zu kontrollieren sei, ist in diesem Fall nicht hinderlich. Dieser Behauptung wäre der Grundsatz immanent, dass die Vermutung besteht, dass die Gärung am 08.12.2023 noch nicht abgeschlossen sein wird. Dies wird aber für das Gros der Erzeugnisse des Jahrgangs 2023 der Fall sein. Insoweit ist die positive Vermutung (die dem Regel-Ausnahme-Verhältnis entsprechen würde), dass die Erzeugnisse vor dem 08.12.2023 fertig vergoren sind und es lediglich in Ausnahmefällen zu einer Widerlegung der Vermutung kommen kann für die Kontrolle und die Erzeugenden ein Weg, mit geringem Aufwand und hohem, positivem Ergebnis.

Dem steht auch nicht das nationale Weinrecht entgegen. Der konkrete Bezug der neuen Kennzeichnungsregelungen aus Art. 93 VO (EU) 1308/2013 zu der oben dargestellten Begriffsbestimmung bieten aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts einen abschließenden Rechtsrahmen, der im konkreten Fall wohl keinen Anwendungsbereich für das nationale Recht lässt. Darüberhinaus, wurde in vielen persönlichen Gesprächen und Äußerungen durch Kontrollbehörden sowie Bundes- und Landesvertreter immer wieder betont, dass die Weine des Jahrgangs 2022 nicht betroffen sein sollen. Das Anknüpfen an einen anderen Tatbestand als die Gärung, würde diese Zusicherung unmöglich machen.

Der Deutsche Weinbauverband e.V., kurz DWV, ist die Berufsorganisation der deutschen Winzerinnen und Winzer. Er vertritt die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen und setzt sich dafür ein, die beruflichen Belange der deutschen Winzerschaft zu wahren und zu fördern.

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