Karin Eymael im Gespräch mit Maike Delp vom Bund der Deutschen Landjugend und Klaus Schneider vom Deutschen Weinbauverband.
ddw: Frau Delp, wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für die grünen Berufe im Allgemeinen und den Weinbau im Speziellen?
Maike Delp: Es besteht im Allgemeinen ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung. Wobei man hier differenzieren muss. Der Landwirt beziehungsweise Winzer ist an sich in der Gesellschaft hoch angesehen. So antworteten zum Bespiel 60 Prozent der Befragten anlässlich einer i. m. a.-Umfrage, dass Landwirte und Winzer benötigt werden. Gleichzeitig hat die Landwirtschaft jedoch ein Imageproblem, wenn wir uns zum Beispiel die Berichterstattung über die Düngeverordnung oder die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln anschauen. Die Berichterstattung zeigt oft nur die negativ wirkenden Seiten auf und sehr selten die positiven Aspekte. Als weitere Herausforderung für die Landwirtschaft sehe ich den Fachkräftemangel. Aufgrund des Strukturwandels werden die Betriebe immer größer, aber es fehlen Mitarbeiter, die mit einem den Alltag bestreiten. Das dritte große Problem ist der Klimawandel, der eine immense Ungewissheit mit sich bringt. Wir merken ja schon seit Jahren, dass sich einiges ändert. Wichtig ist es, sich – soweit möglich – krisensicher aufzustellen und den Klimawandel mit zu gestalten.
ddw: Welche Anpassungsmöglichkeiten sehen Sie bezüglich des Klimawandels?
Maike Delp: Wir müssen, auch wenn das mittlerweile ein Modewort geworden ist, »nachhaltig« wirtschaften. Vor allem mit der Ressource Wasser müssen wir schonend umgehen. Dazu gehört, nur gezielt und bei Bedarf zu wässern, die Bodenbearbeitung anzupassen und auch auf neue Unterlagen zu setzen. Das Ganze muss man ganzheitlich angehen.
ddw: Haben Sie das Gefühl, sich als BDL bei der grünen Regierung Gehör verschaffen zu können?
Maike Delp: Einerseits, bis zu einem gewissen Punkt, ja. Wir sind durchaus in Kontakt mit den Staatssekretären und Staatssekretärinnen sowie verschiedenen Parlamentariern und Abgeordneten. Das funktioniert schon. Es ist jedoch nicht einfach, mit der obersten Ebene, also mit Cem Özdemir direkt, in Kontakt zu treten. Mit dem Bundesminister hatten wir ein ganz kurzes Gespräch auf der Grünen Woche. Noch ist ein zugesagter Gesprächstermin – verbunden mit einem Hofbesuch – nicht zustande gekommen.
ddw: Wie sieht das seitens des Deutschen Weinbauverbandes aus, Herr Schneider?
Klaus Schneider: Wir haben jetzt doch – nach 19 Monaten – einen Gesprächstermin für Ende Juni unter Beteiligung von Cem Özdemir vereinbaren können. Zumindest ist der Termin zugesagt – jetzt schauen wir mal. In Summe sind wir als DWV gut vernetzt in Berlin, sprechen mit den Vertretern von allen Fraktionen und pflegen intensiven Kontakt mit dem Weinforum als unsere »Basis«. Es ist natürlich momentan schwierig aufgrund der ideologischen Situation. Wir haben ein gesamtgesellschaftliches Problem.
ddw: Worin besteht dies?
Klaus Schneider: Uns fehlen die richtigen ideologiefreien Bewertungen, die wir brauchen, um die umweltfreundlichste, sozialste und ökonomischste Wirtschafts weise für die Betriebe herauszuarbeiten. Wir benötigen die wirklich ideologiefreie Diskussion. Dann mache ich mir auch keine Sorgen mehr um die Vermarktung und um die Arbeitskräfte. Doch derzeit plagen die Branche viele Zukunftsängste. Diese drücken sich momentan zum Beispiel aus in mangelnder Investitionsbereitschaft und spiegeln sich auch im Beschluss der EU-Kommission wider, die Flexibilisierung der Pflanzrechte für weitere sechs Jahre zu genehmigen. In dieser Zeit werden so gut wie keine Neuanlagen angelegt. Hinzu kommt die Problematik des Generationswechsels und die wirtschaftliche Bewertung der Betriebe. Man weiß nicht, was mit dem Betrieb in Zukunft ist und inwieweit er von diversen geplanten Regelungen – zum Beispiel SUR und NRL – betroffen sein wird. Generell gibt es das Grundproblem, der Landwirtschaft durch Ordnungsrecht Maßnahmen aufzubürden, von denen man nicht weiß, ob sie wirklich sinnvoll sind – vorsichtig ausgedrückt. Ich kann verstehen, wenn junge Leute angesichts all dessen sagen würden: Ich mache etwas Anderes.
ddw: Frau Delp, wie ist aus Ihrer Sicht die Stimmung bei den jungen Winzerinnen und Winzern den Einstieg in den Betrieb oder die Betriebsübernahme betreffend?
Maike Delp: Ich habe einige junge Kollegen, zum Beispiel von der Mosel, die sehen sich in ihrer Selbstbestimmtheit beschränkt. Problematisch wird es, wenn sich die Entscheidungen hinsichtlich SUR und NRL über die nächsten Parlamentswahlen hinweg ziehen sollten. Dann hätten wir eine Entscheidungsvertagung – und mit dieser Ungewissheit ist schwer umzugehen. Einige Kollegen sind auch sehr wütend auf die Politik. Diese Wut ist aus der Existenzangst heraus geboren. Ich kann bestätigen, dass manche Winzer, zum Beispiel am Kaiserstuhl, Investitionen nur noch vorsichtig tätigen.
Klaus Schneider: Das Problem ist die Diskrepanz zwischen der Realität und gewissen Notwendigkeiten und »politischem Wunschdenken«. Uns fehlt der Bezug zur Realität, zu dem verantwortlich Machbarem. Dies begründet die große Unsicherheit und die Tatsache, dass man sich als Winzer nicht mehr respektiert und gesehen fühlt.
ddw: Wie kann man das ändern? Was fordert der BDL, Frau Delp?
Maike Delp: Unser Ansatz ist: Weg von der Verbotspolitik, hin zu Austausch und Dialog. Aus unserer jungen Sicht fordern wir eine gewisse Planungssicherheit. Wir benötigen Verlässlichkeit und nicht das Aufbringen von immer neuen Themen und Ungewissheiten. Es ist wichtig, dass man im Austausch bleibt, sich nicht verwehrt, und Wertschätzung sowie Verständnis füreinander entwickelt, mit dem Ziel, in manchen Punkten näher zusammen zu rücken. Zum Beispiel waren bei der ZKL, der Zukunftskommission Landwirtschaft, sowohl der BDL als auch die BUNDjugend maßgeblich am Abschlusspapier beteiligt. Möglichkeiten zum Konsens gibt es und diese gilt es, zu finden. Es ist immens wichtig, dass man mit anderen Verbänden oder verschiedenen politischen Fraktionen den Austausch sucht. Wenn man das nicht probiert, hat man die Möglichkeit zum Mitgestalten von vornherein abgetan.
Klaus Schneider: Dem stimme ich zu. Man kann sich nur damit Gehör verschaffen, indem man immer wieder versucht, das Gespräch zu finden und Leute zu überzeugen. Es ist wichtig, mit allen Beteiligten im Austausch zu bleiben, und sich nicht auf eine politische Richtung zu versteifen. Auch innerhalb der Parteien sind die Meinungen ja nicht klar abgesteckt. Man muss immer wieder den Versuch starten, parteiübergreifend Politiker zu finden, die zuhören und Dinge, die man ihnen sagt, wahrnehmen und in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Ich hoffe stets auf die Unterstützung der Vernünftigen.
ddw: Frau Delp, was macht der BDL, um das Image der Landwirtschaft aufzuwerten?
Maike Delp: Es ist wichtig, sich nach außen hin durch Aktionen in ein positives Licht zu rücken. So veranstalten wir zum Beispiel den »Tag des offenen Hofes«, um den Leuten einen Einblick in unsere Arbeit zu gewähren und ins Gespräch zu kommen. Auch der Berufswettbewerb rückt positive Aspekte in die Öffentlichkeit – Stichpunkte: fachliches Können und Stolz auf den Berufsstand. Dies sind zwei Möglichkeiten, um sich positiv in den Medien zu präsentieren. Wenn man mehr Geld und Manpower hätte, könnte man eine noch zielgerichtetere Pressearbeit machen. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit ist zwar Gold wert, aber nicht einfach umsetzbar. Ich denke, dass der BDL auf einem guten Weg ist und mit den gegebenen Möglichkeiten das Beste macht.
ddw: Was macht der DWV, um die Öffentlichkeit mit positiven Meldungen zu erreichen, Herr Schneider?
Klaus Schneider: Als Verband sind wir auf unsere Regionalverbände angewiesen, die das übernehmen. So haben wir in unserem Presseverteiler Publikumsmedien wie Tageszeitungen. Ob die Mitteilungen als relevant erachtet werden, obliegt dann natürlich den Redaktionen. Es ist nicht einfach, hier Gehör zu finden oder als wichtig eingestuft zu werden. Auch das DWI macht viel Pressearbeit, derzeit mit Fokus auf die Herkünfte. Die Wahrnehmung seitens der Öffentlichkeit findet schon statt – gerade auch im Hinblick auf die Herkunft im positiven Kontext. Das bringt uns nur politisch nicht voran. Und hilft uns auch nicht bei jenen, die sich von der Weinbranche entfernt haben. Wichtig ist es, Journalisten zu identifizieren, für die das Thema Weinbau relevant ist und die darüber wertneutral berichten möchten. Auch die sozialen Medien müssen von uns bedacht und aktiv bespielt werden. In Summe müssen wir dafür sorgen, dass die Wahrnehmung von Winzern und Wein weiterhin positiv bleibt.
Maike Delp: Um den Wein oder den Weinbau weiterhin bekannter zu machen, müssen wir die sozialen Medien unbedingt mitdenken. Das gelingt am besten, wenn der Winzer oder die Winzerin ungeschönt ihren ganzen Alltag zeigt – von Weinlese über die Heftarbeiten bis hin zum Pflanzenschutz, der auch dazu gehört. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass konventioneller und Öko-Weinbau sich nicht auseinander dividieren.
ddw: Das Stichwort nehme ich gerne auf. Wie sollten konventioneller und ökologischer Weinbau miteinander umgehen?
Maike Delp: Es darf keine Grabenkämpfe zwischen konventionellem und ökologischem Weinbau beziehungsweise Landbau geben – vor allem auch nicht bezüglich SUR und NRL. Man darf sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und muss gerade in dieser politischen Diskussion zusammen stehen.
Klaus Schneider: Es ist so, wie Sie sagen: Es darf nicht passieren, dass wir uns in dieser Frage auseinanderdividieren lassen. Gleichwohl müssen alle beim Pflanzenschutz auf Nachhaltigkeit Wert legen. Die wichtigste zu klärende Frage ist die Zulassung von Kaliumphosphonat – hier brauchen wir den unterstützenden, politischen Einsatz aus Berlin. Zudem müssen wir über vernünftige Reduktionsziele sprechen. Diese müssen regional unterschiedlich gestaffelt sein. Im Steillagenweinbau ist mit der derzeitigen Technik die Einsparungsquote sicherlich geringer – im Vergleich zu einer flurbereinigten Flachlage. Wir können »hohe« Einsparungsquoten erzielen – ein Schritt hin dazu ist der vom DWV herausgebrachte Leitfaden zum integrierten Pflanzenschutz. Der nächste Schritt ist die Einführung des Laubwandmodells als Berechnungsgrundlage für Pflanzenschutzmittel. Ein weiterer Schritt wird sein, ein vernünftiges Toxizitäts-Bewertungsschema einzuführen, wissenschaftlich basiert, damit man das Risiko der Pflanzenschutzmittelanwendung steuern kann. Was wir bezüglich der Reduktion von PSM weiterhin fordern, ist auch ein vernünftiger Zeitrahmen der Betrachtungen. Wir präferieren den Zeitraum 2011 bis 2013 anzuwenden, obgleich vorher schon die Pheromone zum Einsatz kamen. Zudem brauchen wir auch mehr Forschung hinsichtlich Applikationstechnik und eine Beratung, die die mindestnotwendige Menge an PSM angibt. Hierfür benötigen wir auch bessere und kleinteiligere Monitoringverfahren, die die Bedingungen möglichst genau abbilden. Hier wäre eine zielgerichtetere Forschung wünschenswert. Dies gilt allgemein für praxisorientierte Projekte.
Maike Delp: Genau. Gerade Themenfelder wie Digitalisierung und KI sind zukünftig von Interesse – besonders auch beim Pflanzenschutz.
ddw: Wie zielführend ist der Sachkundenachweis, Herr Schneider?
Klaus Schneider: Es ist gut, dass es ihn gibt. Wir reklamieren jedoch, dass dies nicht in allen europäischen Ländern der Fall ist. Zudem haben wir bereits weitreichende Dokumentationsvorschriften bezüglich Pflanzenschutz. Darum wehren wir uns auch gegen die Einführung eines neuen digitalen Melderegisters für alle Pflanzenschutzanwendungen und -Mengen. Und wir wehren uns auch gegen das von Sarah Wiener geforderte Genehmigungsverfahren 14 Tage vor der Anwendung – was ja praktisch gar nicht möglich ist. Auch das von der Bundesregierung geforderte Register für die Pflanzenschutzgeräte gibt es bereits, da die Geräte alle eine TÜV-Bescheinigung haben, in der die Gerätenummer, das Baujahr und der Eigentümer vermerkt sind.
ddw: Nach all den soeben angesprochenen Herausforderungen – sind Sie zufrieden mit Ihrer Berufswahl, Frau Delp? Würden Sie diesen jungen Leuten empfehlen?
Maike Delp: Ich bereue keinen einzigen Tag, dass ich den Schritt gewagt habe. Mich erfüllt mein Beruf. Er ist abwechslungsreich – ich habe Kontakt mit dem Weinbau, der Önologie und den Kunden. Es wird nie langweilig – einen richtigen Alltag haben wir nicht. Ich finde es erfüllend, dass man sich mit dem Produkt selbst verwirklichen kann und kein Jahr wie das andere ist. Was es spannend und herausfordernd macht. Es ist schön, zu erleben, dass man Herausforderungen meistern kann. Und es ist wichtig, jungen Leuten das ganze Spektrum des Berufs zu zeigen und zu animieren, diesen auszuprobieren. Mann kann ja während der Ausbildung auch die Betriebe wechseln und unterschiedliche Regionen und Philosophien kennenlernen. Natürlich birgt der Klimawandel eine große Ungewissheit. Wichtig ist jedoch, dass man seine gute Laune behält und es auch hinsichtlich der politischen Lage schafft, positiv zu bleiben.
ddw: Sehen Sie das Thema Wein und Gesundheit als Herausforderung?
Maike Delp: Das Thema ist wichtig. »Wine in Moderation« muss von Ausbildungsbeginn an mit einbezogen werden. Es ist nötig, den Unterschied klarzustellen zwischen verantwortungsvollem Konsum und einem Missbrauch von Alkohol.
ddw: Wie sehen Sie die Zukunft der Winzerjugend, Herr Schneider?
Klaus Schneider: Wir setzen uns als Berufsstand stark dafür ein, dass der Generationswechsel gelingt. Und auch dafür, dass für junge Frauen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Es muss den Frauen möglich sein, den Beruf zu erlernen und einen Betrieb zu führen, ohne dass sie einen Partner brauchen, der ebenfalls im Betrieb ist. Ich habe das Gefühl, dass das Thema noch immer stiefmütterlich behandelt wird.
ddw: Wie sieht das bei Ihnen aus, Frau Delp?
Maike Delp: Privat spielt das derzeit keine Rolle. Von Verbandsseite aus haben wir uns mit dem Thema Frauen im landwirtschaftlichen Ehrenamt beschäftigt. Es muss gelingen, die Verbände »frauenfreundlicher« zu machen. Also, den Zugang zu vereinfachen. Ein höherer Frauenanteil ist nötig. Wir wollen uns auch mehr mit den Rahmenbedingungen in den Betrieben beschäftigen. Diese sollten keine Steine sein, die im Weg liegen, wenn man sich Kinder wünscht. Beim BDL sind wir seit Gründung im Vorstand paritätisch besetzt – mit drei Frauen und drei Männern. Es ist schön, sich darüber keine Gedanken machen zu müssen.