Im Vorfeld der Eröffnung des Wurstmarkts, des größten Weinfests der Welt, trafen in Bad Dürkheim/Pfalz Vertreter des Deutschen und Österreichischen Weinbauverbandes zusammen, um sich über den Verordnungsentwurf bezüglich des Verbots von jeglichen Pflanzenschutzmitteln (synthetisch wie biologisch) in »sensiblen Gebieten« (SUR, kurz für »Sustainable Use Regulation«) auszutauschen.
Exemplarisch wurde die Auswirkung des Verordnungsentwurfs auf den Weinbauort Ungstein betrachtet, dessen Gemarkung zu über 90 Prozent zu sensiblen Gebieten gehört. Dass der Entwurf 1:1 durch das EU-Parlament abgesegnet wird, was nahezu das »Aus« für den deutschen Weinbau bedeuten würde, hält man für unwahrscheinlich. Dennoch drohen auch bei Nachbesserung des Entwurfs weitreichende Einschränkungen für die deutschen und österreichischen Winzer. Der finale Beschluss des EU-Parlaments wird nicht vor 2024 erwartet. Die Durchführung obliegt dann den jeweiligen Ländern.
ddw nahm an dem Gespräch zwischen Klaus Schneider, Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, und Johannes Schmuckenschlager, Weinbaupräsident von Österreich, teil.
In welchem Ausmaß wären die deutschen und die österreichischen Winzerinnen und Winzer von dem geplanten Verordnungsentwurf betroffen?
J. Schmuckenschlager: Die von der EU geplante SUR würde die österreichischen Winzer besonders treffen, da viele der bekannten Weinregionen in den sensiblen Gebieten, zum Beispiel NATURA 2000, liegen, in denen zukünftig überhaupt kein Pflanzenschutz mehr durchgeführt werden dürfte. Aber auch die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um 50 % in allen Anbaugebieten ist bei einer Dauerkultur wie dem Wein nicht machbar.
K. Schneider: Für uns gilt die gleiche Betroffenheit: Basierend auf den uns aktuell vorliegenden Zahlen gehen wir von zirka 30 % der deutschen Rebfläche aus.
ddw: Was sind die Kritikpunkte des Berufsstandes an dem Verordnungsentwurf?
J. Schmuckenschlager: Ich halte nichts von pauschalen Reduktionsvorgaben, die nicht auf die betroffenen Gebiete und Kulturarbeiten eingehen. Jahrhunderte alte Weinkulturlandschaften würden verschwinden, was auch für den Tourismus einschneidende Folgen hätte. Eine Reduktion der Pflanzenschutzanwendung um 50 % für den gesamten Sektor berücksichtigt nicht das Ausgangsniveau des Sektors. In Österreich konnte die in Verkehr gebrachte Menge chemisch-synthetischer Wirkstoffe innerhalb von zehn Jahren um 22 % reduziert werden.
K. Schneider: Pauschale Reduktionsziele in der Pflanzenschutzmittelanwendung sind das eine. Hier würde ein Generalverbot in empfindlichen Gebieten drohen, und damit einhergehend das wirtschaftliche Aus für viele Betriebe bis zum Totalausfall in manchen Gebieten, wie zum Beispiel an der Mosel – dort sind 90 % betroffen.
ddw: Wie reagiert die Winzerschaft auf den Gesetzesentwurf?
J. Schmuckenschlager: Die Branche ist sehr verunsichert und viele fürchten, ihre Betriebe nicht fortführen zu können.
K. Schneider: Ungläubig bis empört. Noch ist es nicht zu allen Winzerinnen und Winzern vorgedrungen. Wir können uns nicht vorstellen, dass es soweit kommt. Bei Ausweisung der Schutzgebiete wurde ursprünglich von der Politik fest zugesagt, dass keine Einschränkungen bei der Bewirtschaftung ausgesprochen werden.
ddw: Welche Aufklärungsarbeit findet zum Verständnis der Betroffenheit der Branche statt?
J. Schmuckenschlager: Aufklärung erfolgt über die Kammern und Verbände.
K. Schneider: Aufklärungsarbeit machen die Verbände. Von der Politik kommt hier nichts.
ddw: Gibt es aus Sicht der Winzer alternative Ansätze zur Reduktion von PSM?
J. Schmuckenschlager: Der integrierte Pflanzenschutz sollte auch zukünftig der Eckpfeiler für derartige Verordnungen bleiben. Um integrierten Pflanzenschutz vollständig umsetzen zu können, benötigt der Weinbau Zugang zu möglichst vielen agronomischen, biotechnologischen, züchterischen, biologischen und chemischen Lösungen. Nur mit einem vielfältigen Werkzeugkoffer an Betriebsmitteln kann die Gesunderhaltung der Kulturpflanzen gewährleistet werden, da aufgrund des Klimawandels künftig ohnehin mit höherem abiotischen Stress, steigendem Schädlingsdruck und neuen, oft schwer kontrollierbaren Beikräutern zu rechnen ist.
K. Schneider: Darüber hinaus müssen Infektionsprognosemodelle verbessert werden, kleinräumig heruntergebrochen, um die Winzerschaft besser über die Infektionszeitpunkte zu informieren. Zusätzlich sehen wir Möglichkeiten in der Applikationstechnik, zum Beispiel durch die Verwendung von Recyclingtechnik.
ddw: Sind sich der Deutsche und der Österreichische Weinbauverband einig über die weitere Vorgehensweise oder gibt es unterschiedliche Ansätze?
J. Schmuckenschlager: Der Weinbauverband und landwirtschaftliche Interessensvertreter haben den zuständigen Bundesminister auf die Problematik sensibilisiert. Über europäische Institutionen, wie dem Europäischen Bauernverband aber auch über die österreichischen EU-Abgeordneten, wird versucht, Einfluss auf den Gesetzestext zu nehmen.
K. Schneider: Grundsätzlich ja, lediglich in der Zuständigkeit der Organisationen gibt es geringe Unterschiede, weswegen wir bereits auf politische Vertreter in den verschiedenen Ebenen zugegangen sind. Einigkeit besteht sowohl in der Beurteilung des Verordnungsvorschlags als auch in der Reaktion. Wir werden weiterhin gemeinsam dagegen vorgehen. Information des Berufsstandes, Aufklärung aller politischen Vertreterinnen und Vertreter, von der kommunalen bis hin zur europäischen Ebene, über die Auswirkungen dieses EU-Verordnungsvorschlags in der bis jetzt veröffentlichten Form.