POSITIONSPAPIER DES DEUTSCHEN WEINBAUVERBANDES E.V. zu „Pflanzenschutz im Weinbau – Reduktionspotentiale, Grenzen und Perspektiven“

Der nachhaltige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zur Ertragssicherung und zur Erhaltung der Biodiversität ist Grundstein für eine ökonomisch als auch ökologisch nachhaltige Bewirtschaftung von Rebflächen und damit dem Fortbestand der Weinbaubetriebe. Ohne Pflanzenschutz ist es der Rebe nicht möglich, sich vor Krankheitserregern zu schützen und gesund zu bleiben. Nur aus gesunden Trauben wird qualitativ hochwertiger Wein gekeltert. Daher ist es für die Winzer:innen unabdingbar, Pflanzenschutz anzuwenden. Gleichzeitig ist es das Anliegen der Winzer:innen, die Umwelt zu schützen und die eingesetzten Mengen auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Mit welchen Ansätzen kann dies gelingen?

Laut JKI Pesticide-Trends Database Explorer wurden die Pflanzenschutzmittelaufwendungen in Deutschland im Vergleich zu den Jahren 2011 bis 2013 bereits um etwa 35 % verringert[1]. Die DG SANTE stellt in ihrem Report im März 2017 zur Bewertung der Umsetzung von Maßnahmen im Hinblick auf die nachhaltige Verwendung von Pestiziden unter anderem fest, dass Deutschland seit mittlerweile mehr als 35 Jahren Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Verwendung von Pestiziden durchführt. Diese Maßnahmen hätten zu beachtlichen, quantifizierbaren Fortschritten geführt, bspw. zu einer Verringerung der mit der Pestizidverwendung verbundenen Umweltrisiken um mehr als 50 % im Zeitraum 1987-2007.

 

Was haben wir schon getan?

Den Einsatz und die Veränderungsbereitschaft der Winzer:innen sowie gelungene Kooperationen verschiedener Akteure machten diese Reduktionen möglich. Wetterprognosen wurden verbessert und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der Offizialberatung gestärkt. Eine drastische Reduktion des Insektizideinsatzes im Weinbau wurde durch den Einsatz der Verwirrmethode (Pheromone) erzielt. Immer mehr Betriebe verzichten auf den Einsatz von Herbiziden im Tausch gegen einen höheren personellen Arbeitseinsatz. Diese gestiegenen Kosten können unter den aktuellen Bedingungen nicht am Markt geltend gemacht werden.

Mehrere Projekte zur Artenvielfalt im Weinberg[2] zeigen, dass der Weinbau, unabhängig der Bewirtschaftungsform, der Artenvielfalt eine besonders ergiebige Heimat bietet. Weinbau ist Dauerkultur und Mischkultur in einem und prägendes Element unserer Kulturlandschaft.

 

Recyclinggeräte bieten schon heute die größten Einsparpotentiale.

Die Anlagerungsqualität ist aufgrund verschiedener Eigenschaften der Geräte (z.B. Überzeilenapplikationen, gut einstellbare Gebläseleistung, besser noch Tunnelsprühgeräte) sehr gut. Eine effektive Einsparung von PSM findet bei dieser Technik vor allem durch eine hervorragende Applikation (Reduzierung der Aufwandmengen) statt, und indem nicht-angelagerte Spritzbrühe aufgefangen und wieder ausgebracht wird. Somit kann mit einer Tankfüllung bis zu 50 % mehr Fläche behandelt werden (bzw. 30 % an Pflanzenschutzmittel eingespart werden), je nach Belaubungszustand. Software-basierende Spritzcomputer dienen zur Überwachung und genauen Einstellung der Ausbringmenge.

Die Nutzung von Recyclinggeräten ist derzeit schwierig für Steillagenwinzer; dennoch existieren bereits Geräte, die über Leichtbauweise realisiert wurden. Den Einzug in die Praxis des Steillagenweinbaus in der Falllinie haben diese noch nicht gefunden. Daher sieht der DWV eine Weiterentwicklung von Recyclinggeräten in der Steillage als wesentlich an, um in der Steillage den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren zu können. Aktuell ist der Einsatz von Recyclinggeräten nur in Lagen im Direktzug möglich.

 

Applikationsgeräte optimal eingestellt

Voraussetzung für eine präzise Pflanzenschutzapplikation und damit verbundene Einsparungen ist das exakte Einstellen der Geräte, sowie der Einsatz abdriftmindernder Düsen (Standard: 75 %), wie in den Fortbildungsveranstaltungen zum Sachkundenachweis dargestellt. Dies gewährleistet eine bessere Anlagerung der Präparate in Abhängigkeit der Laubwandhöhe und damit eine Reduktion der Menge. Dies gilt auch für die Wahl der richtigen Fahrgeschwindigkeit. Hierfür sind seitens der Gerätehersteller optisch gut wahrnehmbare Informationen anzubringen, welche den Anwender während des Einsatzes auf die optimale Einstellung des Gerätes zusätzlich hinweisen.

 

Pflanzenschutz bevor Symptome sichtbar werden – risikobasiert Infektionen verhindern

Die Zahl der anzuwendenden Pflanzenschutzmittel (PSM) im Weinbau ist begrenzt. Aktuell sind nur vorbeugende PSM im Weinbau verfügbar. Dies stellt uns in jeder Pflanzenschutzsaison vor große Herausforderungen, insbesondere bei den Hauptschaderregern Echter und Falscher Mehltau. Gleichzeitig bedeutet dies: im Weinbau muss prophylaktisch Pflanzenschutz betrieben werden, basierend auf Prognosemodellen, um die eigene Ernte zu sichern sowie die Nachbarsparzelle nicht einem erhöhten Übertragungsrisiko auszusetzen. Dies erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Risikobewusstsein für die Betriebe, um den optimalen Zeitpunkt mit maximalen Einsparungen vorherzusagen.

 

Den Zeitpunkt besser abpassen – mehr Sicherheit durch verbesserte, kleinräumige Prognosemodelle

Bei der Nutzung optimierter Pflanzenschutztechnik geben möglichst kleinräumig aufgebaute Prognosemodelle mehr Sicherheit. Deren Vorhersagequalität muss verbessert werden, damit mehr Pflanzenschutzmittel abhängig der Witterung eingespart werden können. Prognosemodelle bieten hierbei eine Entscheidungshilfe für die Betriebe. Bei der Wahl des Prognosesystems ist darauf zu achten, dass dieses ständig und langfristig validiert wird.

 

Mehr Forschung zur langfristigen Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes: UVC-Technik, Biologika, andere Formulierungen, Lasertechnik, Drohnen, Autonomie, KI, Gentechnik

Die UVC-Technik zeigt im Pflanzenschutz gute Wirkung und großes Potenzial, gleichzeitig verfolgt sie einen anderen Ansatz als übliche Techniken auf Flüssigkeitenbasis. Leider gibt es bisher keine Möglichkeit, in Deutschland großflächig Versuche zu UVC im Pflanzenschutz durchzuführen. Vielversprechende Ansätze müssen im Feld erprobt werden.

Die Pflanzenschutzdrohne aus der Luft hat im Vergleich zum Großhubschrauber Abdriftwerte von nur 10%. Weitere Anwendungen der Drohne werden entwickelt und können zukünftig zusätzlichen Nutzen bringen. Auf der anderen Seite findet von Seiten der Hersteller eine stetige Fortentwicklung der Technik statt, mit der die Regulatorik in der EU oder national kaum hinterherkommt. Hier gilt es den Anschluss nicht zu verlieren. Bei einer Verbesserung der schlagspezifischen Prognose bieten autonome Drohnensyteme den weiteren Vorteil, dass diese unabhängig von Fahrer:in und Wochentag die Weinberge anhand der Prognose ansteuern und behandeln können. Dies fordert u.a. Anpassungen im Verkehrsrecht und ist daher leider noch nicht im weinbaulichen Alltag verankert.

Es gibt weitere Ansätze in der Forschung, die ebenso zukunftsorientiert und noch nicht praxisreif sind (bspw. Biologika, andere Formulierungen, Lasertechnik). Diese gilt es nachzuverfolgen. Zulassungsverfahren, insbesondere für Biologika, sollten verschlankt werden, um diese schneller in die Anwendung zu bringen. Entscheidend für eine breite Anwendung von Biologika ist deren Wirksamkeit im Freiland. Aktuell sind keine Biologika mit ausreichender Wirkung auf dem Markt. Gespräche mit Wissenschaftler:innen ergaben, dass bis 2030 vermutlich kein schlagkräftiges Biologika-Präparat die Praxisreife erlangen wird.

Die Vorteile neuer Formulierungstechniken, wie der Mikroverkapselung, müssen genutzt werden und dafür zeitnah in die breite Anwendung gelangen. Hier sind Anreize für Hersteller zur schnelleren Etablierung dieser neuen Techniken notwendig.

Die Pflanzenschutzberatung sollte durch den Einsatz von KI ergänzt werden. Diese könnte Wetterprognosen mit Spritzplänen unverzüglich verknüpfen und den Personalmangel, u.a. bei den Beratungsdiensten, auffangen. Denkbar wäre eine Verknüpfung von bereits erfolgten Pflanzenschutzmaßnahmen mit Prognosemodellen, welche den Winzer:innen Push-Meldungen mit aktuellen und individualisierten Pflanzenschutzempfehlungen geben.

In der Zukunft würden mehltauresistente, etablierte Rebsorten Chancen zur weiteren Pflanzenschutzreduktion bieten. Dies erfordert eine Anpassung des Gentechnikrechts wie es derzeit auf EU-Ebene diskutiert wird, mehr Forschung in neue gentechnische Verfahren (New Genomic Techniques – NGTs) im Weinbau, sowie eine Anpassung des Sortenrechts.

Bei den zahlreichen Ansätzen zur Weiterentwicklung muss uns klar sein, dass die Reduktion der Aufwandmenge der Wirkstoffe, um Resistenzen vorzubeugen, Grenzen hat. Mehr Forschung zu den Grenzen des Möglichen bei den Wirkstoffen ist notwendig, um diese in der Praxis besser einschätzen zu können.

 

Neue Rebsorten ein Baustein zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln

Der Anbau von pilztoleranten Rebsorten, sog. PiWis, ist ein Baustein zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, da damit eine Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatz um ca. 70% möglich ist. Problematisch ist die lange Umstellzeit (ca. 2,5 % der Rebfläche pro Jahr) sowie die schwierigen Absatzmöglichkeiten von PiWi-Weinen. Weitere Sorgen sind Dauer und Nachhaltigkeit der Widerstandsfähigkeit, da Resistenzen bei entsprechend mutierten Pilzen von diesen überwunden werden können.

Der völlige Verzicht auf Pflanzenschutz ist auch bei PiWis nicht möglich. Dieser würde zum Verlust der Widerstandsfähigkeit führen und ist daher keine Lösung. Derzeitiges Ziel der Forschung ist die Kombination von drei Resistenzloci, inkl. Schwarzfäule.

Das EU-Reduktionsziel von 50%iger Mengenreduktion an Pflanzenschutzmitteln bis 2030 ist alleine mit der Umstellung auf Piwis nicht zu erreichen. Piwis können daher nur ein Teil der Problemlösung sein, jedoch ein langfristig wichtiger mit hohem Reduktionpotential.

 

Kennzeichnung von Risikoklassen in PS-Plänen

Ein verständlicher Beipackzettel ist der Schlüssel, um das (Umwelt-)Risiko der verwendeten Pflanzenschutzmittel besser bei der praktischen Anwendung einschätzen zu können. Eine Gruppierung der Pflanzenschutzmittel nach Risikoklassen, grafisch ansprechend aufgearbeitet sehen wir als unterstützend in der Beratung.

 

Beratung

In der Beratung sollte nicht die Bewirtschaftungsform entscheidend sein, sondern die beste Wahl der Maßnahme. Daher sehen wir die Kombination von Maßnahmen aus dem ökologischen und integrierten Anbau als sinnvoll.

Die Aufwertung und Angleichung der Offizialberatung in den Regionen bietet viel Potential, so dass alle Anbauregionen auf eine differenzierte Offizialberatung vertrauen können. Unabdingbar ist dafür eine personell gut aufgestellte Offizialberatung. Dazu könnte auch die grafische Einteilung der Pflanzenschutzmittel nach Risikoklassen gehören.

 

DWV-Position

Um die genannten Maßnahmen zur Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, fordert der DWV

  • Bereits erzielte Reduktionen anzuerkennen und diese in eine wissensbasierte Diskussion aufzunehmen
  • Von den Geräteherstellern, gut einstellbare Geräte zur Verfügung zu stellen, idealerweise ab Werk bestückt mit abdriftmindernden Düsen (Standard: 75 %). Wünschenswert wäre eine Fortentwicklung von Geräten zur Verbesserung der Anlagerungsqualität, um langfristig Aufwandmengen zu reduzieren.
  • Förderprogramme für und Weiterentwicklung von Recyclinggeräten. Insbesondere für den Steilhang müssen leichtere Geräte mit Recyclingtechnik in den Vertrieb gebracht und von weiteren Herstellern entwickelt werden.
  • Stärkung der Pheromon-Anwendergemeinschaften durch Verringerung der bürokratischen Aufgaben des Obmanns und erleichterte Ansprache der Grundstückseigentümer:innen, um die bereits erzielten Reduktionen im Insektizidbereich weiter auszubauen. Die Anwendung von Pheromonen sollte in Zukunft nicht als Insektizidbehandlung gewertet werden.
  • In trockenen Jahren sind mehrmalige Herbizideinsätze nicht notwendig. In erosionsgefährdeten Lagen oder Steillagen kann davon abgewichen werden. Bei einer Überarbeitung der Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz ist dies anzupassen.
  • Einen ehrlichen Austausch mit Lohnunternehmen, die im Auftrag Pflanzenschutzmaßnahmen betreiben. Der Auftraggeber entscheidet, welche Maßnahmen wie durchgeführt werden. Ansätze zur Reduktion erfordern eine enge Kooperation zwischen Lohnunternehmer und Auftraggeber.
  • Optimierte Prognosemodelle mit kleinräumig verbesserter Vorhersagequalität, um mehr Sicherheit für reduzierten Pflanzenschutz zu geben
  • Vielversprechende Alternativen für Pflanzenschutz nachzuverfolgen, monetär zu unterstützen und Hürden in der Forschung zu senken
  • Zulassungsverfahren für vielversprechende Biologika sollten verschlankt werden
  • Die Chancen der Drohnenapplikation müssen in der Praxis aufgegriffen werden können. Hier gilt es rechtliche Hürden abzubauen und mehr Flexibilität für die Anwendung zu schaffen.
  • Pflanzenschutz ist das Ergebnis vieler Parameter, deren Kombination direkte Auswirkungen auf die Menge und Qualität des Ertrags haben. Flexibilität ist bei der Pflanzenschutzanwendung unabdingbar.

 

Eine pauschale Pflanzenschutzmittelreduktion ist nicht möglich, da sie immer abhängt von Wetterbedingungen des jeweiligen Jahres sowie des Standortes. Zu geringe Wirkstoffgaben bei rein systemischen Fungiziden können zu Resistenzen führen, im Gegensatz zu Kontaktfungiziden. Sicherheitspuffer bei der Mittelzulassung müssen einkalkuliert werden. Diese müssen insbesonders für herausfordernde Jahrgänge zur Verfügung stehen.

Die Recyclingtechnik kann nicht überall angewendet werden, aus topografischen oder ökonomischen Gründen. Hier müssen Lösungen weiterentwickelt werden.

Die Frage der Vermarktung von neuen Rebsorten, die Gefahr des Verlustes der Widerstandsfähigkeit einzelner sog. PiWis sowie deren teilweise verringerte Reblaustoleranz bereiten den Winzer:innen Sorgen.

Die Beratung benötigt den pauschalen, gesamtregionalen Ansatz und kann daher nicht ganz so stark reduzieren wie Winzer:innen in ihrer individuellen Situation. Entscheidend sind viele Faktoren (u.a. Rebsorte, Standort, Pflegestand, Vorjahresbefall, Einstellung des Gerätes). Daher muss jeder Weinbaubetrieb individuell passende Entscheidungen nach seinem Risikoprofil treffen.

 

Der Deutsche Weinbauverband e.V., kurz DWV, ist die Berufsorganisation der deutschen Winzerinnen und Winzer. Er vertritt die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen und setzt sich dafür ein, die beruflichen Belange der deutschen Winzerschaft zu wahren und zu fördern.

 

[1] Absatz dividiert durch Aufwandmenge, HRI-Gruppe (alle), Alle PSM, Gesamtsumme; https://sf.julius-kuehn.de/pesticide-dbx/hri; Bezugszeitraum in Anlehnung an die Farm-2-Fork Strategie der EU.

[2] https://www.julius-kuehn.de/pressemitteilungen/pressemeldung/news/pi2022-18-weinbau-steillagen-der-mosel-sind-ein-hotspot-der-artenvielfalt/ sowie Kaczmarek, Marvin & Entling, Martin & Hoffmann, Christoph. (2023). Differentiat-ing the effects of organic management, pesticide reduction, and landscape diversification for arthropod conservation in viticulture. Biodiversity and Conservation. 10.1007/s10531-023-02621-y. abrufbar unter https://www.researchgate.net/publication/370691420_Differentiating_the_effects_of_organic_management_pesticide_reduction_and_landscape_diversification_for_arthropod_conservation_in_viticulture oder Leyer, I., and K. Mody. (2022) Förderung der Biodiversität im Weinbau. S. 196-210 in K. Ulrich, Editor. Ganzheitliche Nachhaltigkeit in der Weinwirtschaft – Zukunftsfähige Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette. Ulmer, Stuttgart

 

Hier finden Sie die englische Version des Positionspapiers.

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