Die EU-Kommission hat große Ziele: Sie will den Pflanzenschutzmitteleinsatz in der EU bis 2030 um 50 Prozent reduzieren. Eine Maßnahme: Ein weitgehendes Verbot der Anwendung in so genannten »empfindlichen Gebieten«. Verbände schlagen Alarm: das könnte das Aus für viele Betriebe oder für den Weinbau in weiten Teilen Deutschlands bedeuten. Auch der Deutsche Weinbauverband (DWV) zeigt sich sehr besorgt hinsichtlich dieses Vorhabens.
In der Erläuterung des EU-Kommission Vorhabens ist es nur am Rande erwähnt: Neben öffentlichen Gärten, Parks und Wegen, Spielplätzen, Freizeit- oder Sportstätten soll auch in »ökologisch empfindlichen Gebieten« der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln jeder Art vom Prinzip her verboten werden.
Zu den »ökologisch empfindlichen Gebieten« rechnet die Kommission jede Art von Schutzgebieten: Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, Vogelschutzgebiete, Natura-2000-(FFH)-Schutzgebiete sowie »alle sonstigen nationalen, regionalen oder lokalen Schutzgebiete, die von den Mitgliedstaaten an das Verzeichnis der nationalen Schutzgebiete (CDDA) gemeldet wurden«.
Rheinland-Pfalz: Erhebung läuft
Eine Nachfrage bei den Weinbauverbänden ergab, dass genaue Zahlen, wieviel Hektar Weinbaufläche davon betroffen wären, größtenteils noch nicht vorliegen. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) konnte auf Nachfrage noch keine Zahlen nennen. »Die diesbezüglichen Daten werden zurzeit noch erstellt«, heißt es vom BMEL.
Nach derzeitigem Stand wäre die Mosel am stärksten betroffen: Fast das gesamte Moseltal ist Landschaftsschutzgebiet. Maximilian Hendgen, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Mosel »blickt mit großer Sorge« auf das Vorhaben der EU-Kommission. Würde es umgesetzt, und das rheinland-pfälzische Landschaftsschutzgebiet »Moselgebiet von Schweich bis Koblenz« unter die Verordnung fallen, »würde das aber praktisch das Aus für nahezu den gesamten Moselweinbau bedeuten«.
Er kennt zwar noch keine genauen Daten, aber auch Harald Sperling, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Nahe sieht die Entwicklung »mit beträchtlichen Sorgen« angesichts der vielen Schutzgebiete in seiner Region. Nach Auffassung von Knut Schubert, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Ahr, existiert »eine scharfe Gebietsabgrenzung, die die Weinlagen bei der Schutzgebietsausweisung außen vor gelassen hat«, er wartet aber noch auf Bestätigung durch die Kreisverwaltung.
Dem Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd liegen aktuell aus früheren Erhebungen der Umfang der Naturschutz, FFH- und Vogelschutzgebiete vor. Dies sind nach Angaben des Pressesprechers Andreas Köhr etwa 1.000 Hektar in Rheinhessen und etwa 2.200 Hektar in der Pfalz. Diese Daten stammten aus einem Abgleich der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz.
Einige Weinbauverbände aus Rheinland-Pfalz haben nach Auskunft von LWK-Direktor Markus Heil schon entsprechende Anfragen an die LWK gerichtet; da er damit rechnet, dass wahrscheinlich auch andere Verbände nachfragen werden, will die LWK einen landesweiten Abgleich machen, der aber noch in Arbeit ist.
Rheingau: Etwa 380 Hektar betroffen
Fast konkrete Zahlen kommen aus dem Rheingau: Laut Auskunft des Weinbaudezernats in Eltville liegen im Rheingau 27 Hektar Rebflächen in Naturschutzgebieten, 25 Hektar in FFH-Gebieten und 324 Hektar in Wasserschutzgebieten. Noch nicht erfasst sind ein Landschaftsschutzgebiet um Wiesbaden und Heilquellenschutzgebiete.
Baden-Württemberg: Ein Drittel der Rebfläche in Schutzgebieten
Für Baden und Württemberg ist nach Auskunft der beiden Weinbauverbandsgeschäftsführer Holger Klein und Hermann Morast nur eine Zahl für ganz Baden-Württemberg bekannt. Betroffen wären etwa 9.100 Hektar, das wäre ein Drittel der Rebfläche des Landes. Regional dürfte der Weinbau am Kaiserstuhl erheblich leiden, würde die EU-Kommission ihre Vorstellungen durchsetzen, ist die Region doch in weiten Teilen Vogelschutzgebiet.
In Franken wartet man noch ab. Da man aktuell noch keine genau Kenntnis darüber habe, welche Schutzgebiete im Einzelnen betroffen sein werden, könne man noch keine Aussage darüber machen, wie viel Fläche in Franken betroffen sei, so Hermann Schmitt, Geschäftsführer des Weinbauverbandes.
Wie geht es weiter?
Auch wenn die Verordnung am Ende nicht in der vorliegenden Fassung verabschiedet wird, so zeigt sie doch die Richtung der EU-Kommission. Es bleibt zu befürchten, dass am Ende – nach so genannten »Trilog-Verhandlungen« hinter geschlossenen Türen – EU-Kommission, EU-Parlament und Ministerrat die Landwirte und Winzer Europas vor vollendete Tatsachen stellen. DWV-Präsident Klaus Schneider betont gegenüber dem ddw, dass es keine Entscheidung im Hinterzimmer, ohne Beteiligung der Verbände und öffentlicher Diskussion im europäischen Parlament geben darf: »Der vorgelegte Vorschlag ist nicht zu akzeptieren! Das Vorhaben der Kommission, bei allem Verständnis für die Reduktionsziele in Bezug auf Pflanzenschutzmittel, stellt eine konkrete Bedrohung für den deutschen Weinbau und die gesamte Landwirtschaft dar. Wir werden uns mit Hochdruck für einen Erhalt der Kulturfläche und die Zukunft unserer Branche einsetzen.«
Deutscher Weinbauverband ist aktiv
Bis zu einer Entscheidung in Brüssel wird noch einige Zeit vergehen, die die Interessenvertretungen auf nationaler und europäischer Ebene – in Deutschland nimmt der Deutsche Weinbauverband (DWV) diese Aufgabe wahr – nutzen werden, um die Position der Landwirte und die Dringlichkeit des Themas gegenüber allen politischen Entscheidern darzustellen. Der DWV hat im Interesse seiner Mitglieder bereits Gespräche mit europäischen und nationalen Abgeordneten geführt und direkten Kontakt zur europäischen Kommission aufgenommen. Aber auch Gespräche mit Landespolitikern, Abgeordneten des EU-Parlaments und des Bundestags sollten über den nun vorgelegten Entwurf geführt werden, um für Änderungen zu werben. Auf allen Ebenen wird bereits intensiv diskutiert.
Beispielsweise fordert die EU-Abgeordnete Christine Schneider auf Instagram, dass ungerechtfertigte Verbote verhindert werden sollen, da ein generelles Pflanzenschutzverbot einen Generalangriff auf die Landwirtschaft darstelle.
Der DWV wird zeitnah – in Abstimmung mit seinen Mitgliedern und den europäischen Partnerverbänden – eine umfassende Stellungnahme veröffentlichen, mit der die Forderungen der Winzer gegenüber den Entscheidungsträgern platziert werden. Darüber hinaus wird der DWV seinen Mitgliedern Ende August ein Muster-Schreiben zur Teilnahme an der Konsultation der europäischen Kommission zur Verfügung stellen und dafür werben, dass sich möglichst viele Winzer an dieser beteiligen.
Übersicht Schutzgebiete
Landkarten mit Schutzgebieten Europa:
www.eea.europa.eu/data-and-maps/explore-interactive-maps/european-protected-areas-1
Deutschland:
geodienste.bfn.de/schutzgebiete?lang=de
Der EU-Kommission die Meinung sagen
Öffentliche Befragung: Pestizide – nachhaltige Verwendung
Noch bis 19. September können Bürger, Unternehmen, Verbände zu dem Verordnungsvorhaben der EU-Kommission »Pestizide – nachhaltige Verwendung« der EU-Kommission ihre Meinung mitteilen.
Adresse: ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12413-Pestizide-nachhaltige-Verwendung-aktualisierte-EU-Vorschriften-_de
Um herauszufinden, was Bürger, Unternehmen, Verbände von den Gesetzesvorhaben der EU-Kommission halten, bietet die Kommission eine Art öffentliche Anhörung für ihre Vorhaben an (ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say_de).
Ihre geplanten Änderungen zur Reduzierung des Pflanzenschutzeinsatzes stellt sie nicht unter der Kategorie Landwirtschaft oder Umwelt, sondern in der Kategorie »Lebensmittelsicherheit« zur Diskussion, die erste Frist für Rückmeldungen lief vom 29. Mai bis 7. August 2020, es gingen 360 Kommentare ein, eine öffentliche Konsultation vom 18. Januar bis 12. April 2021 brachte 1.696 Rückmeldungen, davon 264 aus Deutschland.
Vor der Annahme ihres Vorschlages hat die EU-Kommission eine dritte Rückmeldungsfrist eingeräumt, sie läuft noch bis 19. September. Zum Redaktionsschluss lagen hier 353 Kommentare vor.
Der Deutsche Weinbauverband hat auf Nachfrage gegenüber dem ddw erklärt, dass hier ein gemeinsames Vorgehen der Branche zielführend sei. Insoweit wird er seinen Mitgliedern Ende August ein Musterschreiben zur Antwort auf die Konsultation zur Verfügung stellen und dafür werben, dass sich möglichst viele Winzer beteiligen.