Im Rahmen des strukturierten Landwirtschaftsdialogs, der Ende Januar in Brüssel begonnen hat, und auch aufgrund des Dialoges der Weinbranche mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, steht derzeit auch die Entbürokratisierung für die Weinbrache im Mittelpunkt. Der Deutsche Weinbauverband hat seine Mitglieder befragt und zahlreiche Antworten aus der Praxis gesammelt. Diese wurden in sechs Themenbereiche geclustert und teilweise mit den Rechtsgrundlagen versehen. Zumeist befinden sich die Vorgaben jedoch sowohl im europäischen als auch im nationalen Recht.
Allen Rückmeldungen war folgende Grundaussage zu entnehmen:
Es bedarf eines vereinheitlichten Meldewesens auf Basis verbesserter digitaler Infrastruktur. Meldeportale müssen auch mobil verfügbar sein und insbesondere intuitiver gestaltet werden. Darüber hinaus ist ein Datentransfer aus den Vorjahren wünschenswert, (vgl. Elster – Steuer) um nicht jedes Jahr neu beginnen zu müssen. Im Rahmen von Kontrollen sollte von einem möglichen Ermessen Gebrauch gemacht werden.
Die Forderungen im Einzelnen
Meldeverpflichtungen/ Dokumentationspflicht
Nutzen von Toleranzen und angemessene Kontrolle | Im Rahmen der Kontrollen wird es in Deutschland wieder besonders ernstgenommen (bspw. Zeilenbreite bei U+U auf dem cm genau). Hier sollten vernünftige Anforderungen gestellt werden. |
Vereinfachung Beantragung AP-Nummer | Praktikable Online-Anwendungen für Begleitschreiben, A.P. Anträge |
E-Antrag intuitiver und logischer und benutzerfreundlicher gestalten. | Einheitliche Zugänge zu Portalen (z.B. Elster, LEA, Hit, SVLFG) in Bezug auf Landwirtschaft oder einheitlicher Zugang über Elster. |
Wird eine Rodungsmeldung verspätet abgegeben führt das zum Ausschluss aus dem „Vereinfachten Verfahren“. | WeinG, GMO |
Vereinfachung der Umsetzung der Regelungen zur Pflanzgenehmigung | Insbesondere Wiederbepflanzung nach Rodung auf einer anderen Fläche. Hier bedarf es weiterhin einer Papiermeldung |
Stärkung und Ausbau staatlicher digitaler Angebote zur Abgabe von Meldung | Wünschenswert wäre ein Zugang mit gespeicherten Daten für alle Portale |
Verhinderung doppelter Eingaben bei derselben oder unterschiedlichen Stellen | z.B. Abfragen vom statistischen Landesamt aus dem Vorjahr übernehmen, statt alles erneut auszufüllen, außer bei Änderungen |
Neben unangekündigten Stichpunktkontrollen sollte es möglich sein die Kontrollen mit der Behörde zu planen, insbesondere Begehungen | |
Kellerbuchaufzeichnungen auf das Nötigste beschränken | |
Möglichkeit schaffen, die Weinbuchhaltung nach Abfüllung der Weinflaschen auch in freie Finanzbuchhaltungsprogramme zu überführen. | Derzeit dürfen nur von den Ministerien zugelassene Programme verwendet werden. |
Verlängerung der Fristen zur Weinbuchführung | Weinüberwachungsverordnung VO (EG) 178/2002 |
Streichung der 7 Tage Frist zur Abgabe der Weinbestandsmeldung | Art. 223 GMO Art. 32 VO (EU) 2018/273 Art. 23 VO (EU) 2018/274 § 33 I WeinG §§ 75a-77 Agrarstatistikgesetz § 29 WeinüberwachungsVO + LandesausführungsVO |
Wegfall der Meldung oenologischer Verfahren und weiterer Meldung sowie ggf. Zusammenlegung der Meldedaten | Wünschenswert wären Meldefristen zum Weinwirtschaftsjahr (30.06.) Weinüberwachungsverordnung VO (EG) 178/2002 |
Digitale Programme | Funktionsweise Sicherstellen, Zwischenspeichern automatisieren, Synergien und Schnittstellen mit Programmen und staatlichen Anforderungen schaffen. Datenhoheit liegt bei den Winzer:innen und diese entscheiden, welche Daten an wen weitergegeben werden. |
Förderungspolitik
Die Förderprogramme sollten so umgestaltet werden, dass Anreize geschaffen werden, geförderte Maßnahmen auch zu ergreifen. Die Richtlinien sind sehr unübersichtlich, durch manche Kombinationen werden den Betrieben ohne ersichtlichen Grund Prämien gekürzt. | (Bsp: wegen Erhalts der Steillagenförderung nur Teil der Förderung für ökologische Wirtschaftsweise) |
Digitale Antragstellung vereinfachen | Den Nachweis der Zeilenbreite oder einer Zwischenzeilenbegrünung nicht mehr händisch/ am PC einzeichnen müssen. |
Einheitliche und bundesländerübergreifende Anträge, z.B. beim gemeinsamen Antrag. Schnittstellen schaffen. | Da es Winzer:innen und Landwirt:innen gibt, die Flächen in mehreren Bundesländern bewirtschaften, würde es ihnen die Antragstellung vereinfachen. |
U+U | Vereinheitlichung der Antragsvorgaben in einem Dokument zu einem Zeitpunkt und Schaffung einer rein digitalen Antragstellung. Abschaffung des Punktes „Existenz der Rebfläche“ bei auszufüllendem Protokoll hstl. zur Rodung gemeldeter Rebfläche. Abschaffung der Antragstellung für die Maßnahmen „Rebsortenwechsel“ und „Flurbereinigung“ da bereits in Weinbaukartei enthalten. |
Die Antragsstellung (z.B. Gemeinsamer Antrag/ GAP-Mittel) allgemein vereinfachen, z.B. durch Rückgriff auf vorherigen, am besten mit Anklickfunktion, dass sich hinsichtlich der landwirtschaftlichen Flächen nichts geändert hat. | Ebenso für die Umstrukturierungsförderung. Sobald man im ersten Teil die Flächen gemeldet hat, könnte man sich für Teile 2 und 3 Ressourcen sparen, indem es die Anklick-funktion mit den zuvor gemeldeten Flächen gäbe. |
Bezeichnungsrecht
Änderung des Verständnisses des Begriffs „Gemeinde/Ortsteil“ hin zu einem weinrechtlichen Verständnis auf Basis der Weinbaukartei, weg vom kommunalrechtlichen Ansatz | Die Grenzen der Bezeichnungsrechts, § 39 WeinV, finden sich derzeit nicht im Weinrecht. So kommt es zu einem Auseinanderfallen von Weinbergsrolle (Weinrecht) und geografischen Ortsangaben (Kommunalrecht) auf dem Etikett mit willkürlichen Grenzen. |
Beschleunigung des Verfahrens zur Anpassung/Änderung der Produktspezifikationen, um den Erfordernissen eines dynamischen Marktes gerecht zu werden. | Verkürzung von Einspruchs- und Widerspruchsfristen, Einführung einer Präklusion |
Symbolkennzeichnung des QR-Codes | mit „i“ anstelle ggf. zu übersetzender Vorgaben |
Effektive Kommunikation zwischen Kontrolle, Ländern und Bund unter Einbeziehung der Branche | Neue Aspekte, bspw. Nährwerte/Zutaten fordern der Branche viel ab. Hier wären verlässliche Aussagen und weiter Ermessensspielraum wünschenswert. |
Keine neuen Pflichtvorgaben | Verpackungskennzeichung, Warnhinweise o.ä. Das Neugestalten der Etiketten kostet immer Zeit und Geld. |
Zutatenkennzeichnung | Übersetzungsfehler von LMIV und VO 2019/934 (Antioxidantien/Antioxidationsmittel) dürfen nicht zu Lasten der Betriebe mit ggf. Beanstandungen führen. |
Pflanzenschutzmittel und Düngen
Gleichstellung der Drohnenapplikation mit einer Bodenapplikation anstelle der Hubschrauberapplikation, um Genehmigungsaufwand und Pflanzenschutzmittel einzusparen | Flughöhe über den Reben ist ja deutlich niedriger im Vergleich zum Hubschrauber |
Pheromonanwendergemeinschaften | Erleichterte Nachweise und Antragstellung, um den Bestand und die Zukunft der Gemeinschaften sicherzustellen |
Vereinfachung und Spezifizierung der Schutzvorgaben für Folgearbeiten in der Kultur nach Pflanzenschutzausbringung | (Dauer des Betretungsverbots, maximale Aufenthaltsdauer, Schutzkleidung). Die Anforderung ist für die Praxis kaum einhaltbar. |
Vereinfachung, Digitalisierung und Vereinheitlichung von Meldungen – Stoffstrombilanz – Dokumentation des PSM-Einsatzes – Protokollierung der Düngeverordnung | Eine Mehrfachabfrage von unterschiedlichen Behörden muss vermieden werden. |
Anpassung der Fortbildungsverpflichtung bei vorhandener Sachkunde | Insbesondere bei abgeschlossener Ausbildung/Studium. |
Steuerrecht
Vereinfachung der Agrardieselanträge | ELSTER-Zugang für Betriebe: für Betriebsinhaber, die sich bereits vor 2015 einen ELSTER-Zugang als Privatpersonen eingerichtet haben, ist es heute sehr umständlich einen weiteren Betriebszugang zu installieren. |
Zukauf von Most erfordert je nach Menge ein „zweites Unternehmen“ | Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenzen und Bemessungsgrundsätze, damit Ausgleichskäufe in Jahren mit geringen Erträgen nicht zu einer Gewerblichkeit von Betrieben führen, wodurch die mit der Landwirtschaft verbundenen Steuervorteile verfallen und es oft die Notwendigkeit gibt, einen Betrieb mit zwei Buchführungen zu versehen. |
Betriebsaufgabe | Sozialverträglichen Ausstieg ermöglichen, Betriebsaufgabe ist keine Entnahme. |
Steuerglättung | Effektives Modell zur Reduzierung der Steuerprogression |
Attraktive Steuerhöhe zur Umsatzsteuerpauschalierung | Kleinen Betrieben die Möglichkeit bei einem attraktiven Steuersatz erhalten |
Zuschuss zur Rentenversicherung | Automatismus bei Zuschuss zur Rentenversicherung bei Unterschreitung der Einkommensgrenze von aktuell 46.000 Euro, ohne zusätzlichen Antrag. |
Mautbefreiung für Winzerbetriebe | auch für Fahrzeuge über 3,5 t; andernfalls können sie künftig keine Weinausfahrten, Messebesuche oder Weindörfer als Aussteller mehr beschicken. Umgesetzte EU-VO – BFStrMG |
Wiedereinführung der Gewinnermittlung für kleinere landwirtschaftliche Betriebe nach Durchschnittssätzen. | |
Vereinfachung der Beschäftigung von Saisonarbeitern, ohne das hohe Schutzniveau zu senken | Vereinfachung, wenn Person bereits im Betrieb gearbeitet hat, 120 Tage Regelung aus Pandemiezeiten wieder einführen |
Abschaffung des Erfordernisses von Zollpapieren und Anmeldungen der Waren im Zollportal EMCS, um Ware aus dem Ausland zu importieren, für Weine | mangels Weinsteuer überflüssig |
Verbesserungen im Hinblick auf Weinpaketversand an Privatkunden im europäischen Binnenland | zB Verbrauchssteuer One-Stop-Shop wie für MwSt. |
Zuständigkeit | Bessere Koordination und Datenaustausch zwischen Zoll und Finanzamt um doppelte Kontrollen zu vermeiden |
Allgemeine Bereiche
Auch Vorgaben außerhalb der agrarrechtlichen Sonderregelungen hemmen die Entwicklungen der Weinbranche. Baurecht, Kommunalrecht, Gaststättengesetz fordern den Betrieben in ihrem Alltag und in ihrer Weiterentwicklung erheblichen personellen, zeitlichen und wirtschaftlichen Einsatz ohne, dass dadurch für die Betriebe ein Mehrwert generiert werden kann.
Weiterentwicklung von Betriebsanlagen, Gestaltung von Weinbergshütten und Landschaftselementen | § 35 BauGB – Privilegierte Vorhaben im Außenbereich |
Gemeindegrenzen | § 39 WeinV, s.o. |
Verpackungsregister entbürokratisieren | z.B. Meldung der vertraglich vereinbarten Mengen an Verpackung durch Verpackungslizensierer statt durch jeden Winzer; einzelne rückwirkende Meldung der in Verkehr gebrachten Mengen am Ende des Jahres statt Voranmeldung. |
Arbeitsschutz | Attraktive BG-Fortbildungsseminare, die einen tatsächlichen Mehrwert für die Betriebe bringen, da diese so lediglich Zeit kosten |
DWV-Position
Zusammengefasst fordert der Deutsche Weinbauverband (DWV) den deutschen Weinbau von insbesondere der Vielzahl der nicht digital möglichen Meldungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu befreien und die sich bietenden Chancen der Digitalisierung zu Nutzen. Entscheidend dabei ist jedoch, dass der Betrieb der „Herr über die Daten“ bleibt und keine Nutzung ohne seine Einwilligung erfolgt.
Der Deutsche Weinbauverband e.V., kurz DWV, ist die Berufsorganisation der deutschen Winzerinnen und Winzer. Er vertritt die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen und setzt sich dafür ein, die beruflichen Belange der deutschen Winzerschaft zu wahren und zu fördern.