150 Jahre – und immer neue Herausforderungen

Der Deutsche Weinbauverband feiert dieses Jahr seine 150-jährige Gründung. Der Festakt am 20. Juni in Neustadt wird ganz im Zeichen des Themas Weinbau und Biodiversität stehen. Das Engagement der Winzerinnen und Winzer für artenreiche und vielfältige Weinberge soll anerkannt und auch finanziell honoriert werden – so wird die Forderung des Verbandes gegenüber dem Landwirtschaftsminister Özdemir lauten, der an der Festveranstaltung teilnehmen wird. Der DWV bringt seit seiner Gründung Forderungen für den Berufsstand in die Politik ein und setzt sich für die Interessen des Berufsstandes ein. Besonders in Krisenzeiten ist es erforderlich, eine starke Stimme der Winzer auf nationaler aber insbesondere auch auf europäischer Ebene zu haben. Bereits seit Jahren werden im Agrarrecht und damit für den Wein die Weichen durch die EU-Kommission bzw. auf EU-Ebene gestellt. Mit Spannung wird also nach Brüssel geblickt, wie es hier nach den Wahlen weitergehen wird. Aus Expertenkreisen hört man, dass aktuell noch etliche fertige Vorschläge in den Schubladen der Generaldirektionen der EUKommission liegen. An anderen Vorschlägen arbeiten die EU-Beamten aktuell weiter.

Daneben gibt es noch einige Gesetzesvorhaben, die die Kommission in dieser Legislaturperiode angestoßen hat, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Zu nennen sind unter anderem die Verordnung über die neuen genomischen Züchtungstechniken (NGT), die Bodenrichtlinie sowie das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL). Diese laufenden Vorschläge werden im Rat und soweit erforderlich im EU-Parlament nach den EU-Wahlen weiterverhandelt – Diskontinuität gibt es in Brüssel nicht! Die Frage, ob nach den EU-Wahlen die oben erwähnten Schubladenpapiere jemals ans Tageslicht kommen bzw.

Die EU wird vor der großen Herausforderung stehen, das Geld für den Agrarhaushalt zu verteidigen.

ob wir eine neue Ausrichtung der Gesetzgebungsinitiativen erleben werden, dürfte in starkem Maß vom Ergebnis der Europawahlen am 9. Juni abhängen. Inwieweit eine neue Kommission tatsächlich den Green Deal weiter umsetzen kann, hängt sehr von den Mehrheiten ab. Bekanntlich ist die Kommission mit ihrem Gesetzesvorschlag zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) gescheitert. Ob, und wenn ja in welcher Form, ein neuer Vorstoß unternommen wird, ist derzeit völlig offen. In jüngsten Gesprächen mit dem Berufsstand zeigte sich aber zumindest die Generaldirektion Landwirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit zum ersten Mal seit vielen Jahren weniger dogmatisch. Sie räumte bei ihrer Strategie Fehler ein, etwa dass sie alles auf die Förderung des ökologischen Sektors gesetzt habe. Sie betonte, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema bleiben würde, scheint aber hier pragmatischer sein zu wollen und betont, dass künftige Rahmenwerke bzw. Zertifizierungen vom Privatsektor ausgehen sollten.

Es hat auch den Anschein, dass die EU-Kommission in Zukunft mehr auf die soziale Säule der Nachhaltigkeit drängen wird. Warten wir es ab! Eines der wichtigsten Gesetzgebungsverfahren in den kommenden fünf Jahren wird die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sein. Bekanntermaßen läuft die geltende GAP Ende 2027 aus. Eine bloße Verlängerung der soeben gerade angepassten Agrarpolitik ist nicht der richtige Weg! Der Deutsche Weinbauverband wird in jedem Fall darauf drängen, das Thema Ökonomische Nachhaltigkeit stärker zu berücksichtigen. Problematisch wird sein, dass hinsichtlich des mehrjährigen Finanzrahmens wachsende Begehrlichkeiten etwa im Bereich der Verteidigungspolitik geweckt werden. Die EU wird also vor der großen Herausforderung stehen, das Geld für den Agrarhaushalt und damit für unseren Berufsstand zu verteidigen. Nicht immer nur neue, sondern auch bekannte Herausforderungen! Aber in 150 Jahren haben wir uns noch nie entmutigen lassen!

Christian Schwörer
DWV-Generalsekretär

 

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