Jetzt auch entalkoholisiert

Hinweis

Dieser Artikel ist im ddw 24/2022 erschienen. Transparenzhinweis: Nationales Recht zur Süßung wurde korrigiert.

Entalkoholisierte Erzeugnisse und teilweise entalkoholisierte Erzeugnisse – endlich rechtssicher?

Seit dem 7. Dezember 2021 gibt es im europäischen Recht einen einheitlichen Rechtsrahmen für (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse. Seit dem 29.10.2022 ist das nationale Weinrecht – hier die Weinverordnung – mit einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2022 in Kraft (ddw berichtete) und an das europäische Recht angepasst. Diese neuen Regelungen bringen – spätestens zum 01.01.2023 – einen erheblichen Unterschied für die Erzeugerinnen und Erzeuger, die (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse herstellen und vermarkten.

DAS ALTE WEINRECHT – ALKOHOLFREI, ABER KEIN WEIN

Die bisherigen »Getränke aus Trauben« im Sinne des § 47 WeinV sind der Verbraucherschaft wohl am besten als »alkoholfreier Wein« und »alkoholfreier Sekt« bekannt. Dabei ist rechtlich zu betonen, dass es sich nicht um ein Erzeugnis im Sinne des Weinrechts (WeinG) handelte und daher das allgemeine Lebensmittelrecht gemeinsam mit der nationalen Weinverordnung Anwendung finden konnte.

Die Verkehrsbezeichnungen, die Vorgaben zur Erzeugung, dem Zutatenverzeichnis, dem Mindesthaltbarkeitsdatum, der Nährwertdeklaration, der Rebsortenangabe, der Allergene usw. fanden sich in § 47 WeinV und dem europäischen Lebensmittelrecht. Erlaubt waren insoweit insbesondere die Süßung mit Saccharose sowie die Entgeistung angereicherter Erzeugnisse. Bis zum 31.12.2022 dürfen (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse in Deutschland nach diesem bisherigen und bekannten Recht hergestellt und gekennzeichnet werden und anschließend bis zum Aufbrauchen der Bestände in den Verkehr gebracht werden. Ab dem 01.01.2023 gilt zur Herstellung und Kennzeichnung ausschließlich »das neue Recht«.

DAS NEUE WEINRECHT – JETZT AUCH IN »ENTALKOHOLISIERT« ERHÄLTLICH

Die Möglichkeit, (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse nach altem Recht herzustellen, erlischt mit dem Beginn des neuen Jahres. Ab diesem Zeitpunkt gilt (auch in Deutschland) nur noch »das neue Recht«.

EUROPA

Die Änderung mit den größten Auswirkungen auf europäischer Ebene ist die Erlaubnis, bestimmte Erzeugnisse einem im europäischen Recht neu eingeführten oenologischen Verfahren, der »Entalkoholisierung« zu unterziehen. Darunter versteht das europäische Recht in Anhang VIII Teil I Abschnitt E der Verordnung (EU) 1308/2013 die Reduktion des Alkoholgehaltes durch teilweise Vakuumverdampfung, Membrantechniken oder Destillation. Zulässig ist die Entalkoholisierung bei Wein, Schaumwein, Qualitätsschaumwein, aromatischem Qualitätsschaumwein, Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure, Perlwein, Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure.

Durch diese Regelung werden (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse rechtlich zu einem Erzeugnis im Sinne des Weinrechts. Nicht erfasst werden die schäumenden Getränke aus entalkoholisiertem Wein, wie sie in Deutschland üblich sind. Für diese findet das europäische Recht, das im Folgenden dargestellt wird, keine Anwendung. Diese werden in diesem Artikel im nationalen Recht dargestellt.

Die Änderung der Einordnung der Erzeugnisse, dass diese nun Wein sind, hat weitreichende Folgen. In der Regel gelten alle europäischen Vorgaben, die wir für Wein kennen.

Es finden aber nicht nur die Vorschriften zum sogenannten Kellerbuch und auch den Begleitpapieren Anwendung, sondern auch das Verbot der Süßung mit Saccharose. Doch das europäische Recht geht auch noch über diese bereits für Stillwein bekannten Vorgaben hinaus. Die Erhöhung des Alkoholgehaltes im Traubenmost (Anreicherung des Traubenmostes) ist bei Erzeugnissen, die entalkoholisiert werden sollen, verboten. Als Argument wird angeführt, dass es nicht zielführend ist, den Alkoholgehalt zu erhöhen, wenn man im Anschluss sämtlichen Alkohol entziehen möchte.

Auch das Bezeichnungsrecht auf europäischer Ebene ändert sich. Für (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse gelten, unabhängig davon, ob zur Vermarktung in der Union oder zur Ausfuhr bestimmt, folgende obligatorische Angaben:

  • der Begriff »entalkoholisierter«, wenn der vorhandene Alkoholgehalt des Erzeugnisses nicht mehr als 0,5 % vol. beträgt
  • der Begriff »teilweise entalkoholisierter«, wenn der vorhandene Alkoholgehalt mehr als 0,5 % vol. beträgt und unter dem vorhandenen Mindestalkoholgehalt der Kategorie vor der Entalkoholisierung liegt (bei Wein bspw. 8,5 % vol. in Weinbauzone A/B)
  • Mindesthaltbarkeitsdatum unter 10 % vol.
  • Nährwert- und Brennwertangabe sowie Inhaltsangaben – Nährwerttabelle und Inhaltsangeben können aber über das e-Label digital angegeben werden.

Darüber hinaus bietet das europäische Recht den Erzeugerinnen und Erzeugern nun die Möglichkeit, teilweise entalkoholisierte Erzeugnisse durch Aufnahme in ihre Produktspezifikation mit einer geografischen Angabe zu versehen. Dies ist bei vollständig entalkoholisierten Erzeugnissen nicht vorgesehen.

NATIONAL

Zusätzlich zum europäischen Recht sieht die nationale Weinverordnung Änderungen für entalkoholisierte und teilweise entalkoholisierte Erzeugnisse im Sinne des europäischen Rechts vor, aber auch die Sonderregelungen für schäumende Getränke.
Für die europäischen Erzeugnisse regelt die Weinverordnung, dass es weiterhin zulässig ist, den Begriff »alkoholfrei« zu verwenden. Dieser ist jedoch nur noch für Erzeugnisse zulässig bis 0,049 % vol. Ab 0,05 % vol. bis zum Erreichen der 0,5 % vol. ist der Zusatz »(<0,5 % vol.)« erforderlich. Teilweise entalkoholisierte Weine dürfen mit dem fakultativen Begriff »alkoholreduziert« vermarktet werden. Für die Rebsortenangabe heißt die neue Regelung, dass (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse nicht mehr rebsortenrein sein müssen. Vielmehr findet die 85/15-Regelung des bezeichnungsunschädlichen Verschnitts Anwendung und darüber hinaus die Regelungen zur bezeichnungsunschädlichen Süßreserve. Auch dürfen die wichtigen Leitrebsorten, die eigentlich für deutschen Wein verboten sind, mit den bekannten Regelungen zu Synonymen und Rebsorten, die geografische Angaben im Namen haben, auf entalkoholisierten Erzeugnissen angegeben werden. Für (teilweise) entalkoholisierte Erzeugnisse ist nach Aufnahme in die Produktspezifikation sogar die Angabe kleinerer geografischer Angaben denkbar. Geschmacksangaben sind nach den bekannten Vorgaben zu Wein zulässig. Für alle Angaben gilt hier als Grenze das bekannte Irreführungsverbot.

Andere Vorgaben gelten für die sogenannten »schäumenden Getränke aus entalkoholisiertem Wein, teilweise entalkoholisiertem Wein und Wein«. Hierbei handelt es sich weiterhin um ein »Getränk aus Trauben« und nicht um »Wein«. Das europäische Recht gilt nicht, sondern die nationale Weinverordnung und das allgemeine Lebensmittelrecht. Insgesamt gibt es hier weniger Änderungen als für »stille Erzeugnisse«.

Die obligatorische Verkehrsbezeichnung lautet entsprechend des Grunderzeugnisses »schäumendes Getränk aus entalkoholisiertem Wein«. Für diese Angabe gibt es eine Etikettierungsvorgabe. Es ist erforderlich, die Verkehrsbezeichnung »in Schriftzeichen der gleichen Art, Farbe und Größe so anzugeben, dass sie sich deutlich von den anderen Angaben abhebt«. Die Rebsortenangabe ist mit Anwendung der 85/15-Regelung zulässig. Eine darüber hinausgehende bezeichnungsunschädliche Süßreserve ist in diesem Fall unzulässig. Die Süßung mit Saccharose ist zulässig. Nährwert-, Brennwert- und Inhaltsangaben sind erforderlich, können aber nicht über das e-Label angegeben werden.

OFFENE FRAGEN

Einige Fragen, die für die Branche relevant sind, können derzeit noch nicht rechtssicher beantwortet werden. Offen ist zum Beispiel auf Basis des juristischen Wortlautes, ob die Erhöhung des Alkoholgehaltes vor der Entalkoholisierung bei Trauben oder Jungwein zulässig sein könnte (die Europäische Kommission und wohl auch das BMEL sieht dies als unzulässig an). Aber auch die Frage, ob und wenn ja, welche oenologische Verfahren nach der Entalkoholisierung angewandt werden dürfen (Schwefeldioxid oder Dimethyldicarbonat sind sicher weiterhin zulässig) ist derzeit noch offen. Auch steht die Frage im Raum, ob die nun geregelten Entalkoholisierungsverfahren mit den Vorgaben zum ökologischen Weinbau (alkoholfreier Biowein) in Einklang zu bringen sind. Die europäische Kommission äußert sich hier in einem aktuellen Schreiben zurückhaltend – die Verbände (DWV und ECOVIN) befinden sich zu diesem Thema bereits in Gesprächen mit dem BMEL, um kurzfristig eine Lösung zu erreichen. Aber auch im nationalen Recht finden sich noch weitere Unklarheiten, zum Beispiel, ob die Angabe »(< 0,5 % vol)« bei jedem Verwenden des Wortes »alkoholfrei« erforderlich ist, oder ob schäumende Getränke nun wirklich »alkoholfrei« genannt werden dürfen? Auch die am Anfang dargestellte Übergangsfrist mit der Formulierung »hergestellt und gekennzeichnet« ist rechtlich nicht eindeutig. Es heißt nicht etikettiert, insoweit könnte es auch zulässig sein, ganze Partien oder Paletten nach Herstellung des alkoholfreien Weines vor dem 31.12. zu kennzeichnen und im neuen Jahr zu vermarkten.

FAZIT

Es ist sicherlich als positiv zu bewerten, dass nun in allen europäischen Ländern die gleichen Regelungen gelten, nachdem es bisher nur Regelungen in Deutschland und Österreich gab. Die Auswirkungen sind jedoch erheblich und es ist bedauerlich, dass es, insbesondere im europäischen Recht, noch eine Vielzahl an offenen Fragen gibt. Der europäische und der nationale Gesetzgeber, die Weinkontrolle und im schlechtesten Fall die Gerichte werden Antworten liefern müssen. DWV und ddw werden weiter informieren und sich für praxisnahe Regelungen einsetzen. 

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