Was eine amerikanische Rockband, ein in Frankreich lebender Adliger und deutsche Weine gemeinsam haben könnten.
Wenn Sie nach der Eingangsfrage schon triumphierend beginnen mit ihrem Haupthaar zu wedeln — so sie noch welches haben — und die Zeile »I was made for loving youuuu…« brachial aus Ihnen herauszubrechen droht, dann muss ich Sie leider direkt enttäuschen. Dies wird kein Text über die legendäre Glam-Rockband mit Hang zur exzentrischen Gesichtsbemalung. Deshalb müssen Sie das Heft aber nicht gleich zur Seite legen. Vielleicht hilft es Ihnen ja, wenn ich verspreche, dass wir gegen Ende wieder zur Band zurückkommen.
Zunächst möchte ich Ihnen aber erzählen, woran ich denken muss, wenn ich »KISS« höre, ich meine natürlich den Begriff, nur um das klarzustellen. KISS steht für »Keep it short and simple«.
Sie wissen noch nicht worum es geht? Es geht um Werbung oder genauer gesagt um Kommunikation. Die KISS-Formel ist eine der ersten Regeln, mit denen man konfrontiert wird, wenn man sich mit Kommunikation beschäftigt. Sie besagt, dass Botschaften, egal ob verbal, schriftlich oder in Form von Bildern, möglichst kurz, einfach und prägnant sein sollten. Nur so können sie vom Adressaten leicht, man könnte auch sagen barrierefrei, aufgenommen werden. In anderen Worten: Wer verstanden werden will, sollte auf alles Unnötige verzichten.
Wir sollten nicht damit anfangen, unseren Kunden das komplizierte Regelwerk erklären zu wollen.
Holger Klein, ddw-Chefredakteur
Wie aber kam ich jetzt auf KISS und was hat das Ganze mit einem Adligen und mit deutschen Weinen zu tun? Ganz einfach: Das letzte Mal, dass ich an die KISS-Formel denken musste, war bei der DWV-Mitgliederversammlung als ich Stephan Graf Neipperg zuhörte. Er war eingeladen, um die Klassifikationen in Burgund und im Bordelais zu erläutern. Um ehrlich zu sein, mit »kurz und simpel« hat besonders die bordelaiser Klassifikation wenig zu tun. Das sieht auch Graf Neipperg so, und wer sollte es besser wissen als er, schließlich nennt er dort gleich mehrere Chateaux sein Eigen. Die Quintessenz seines Vortrags war da schon prägnanter. Sie lässt sich in aller Kürze so zusammenfassen: Jede Klassifikation dient zunächst dem Schutz des Verbrauchers. Richtig ausgestaltet, garantiert sie diesem eine verlässliche und nachvollziehbare Qualität. Als Vermarktungsargument ist die Klassifikation allerdings ungeeignet, weil zu kompliziert. Einfach verständliche Konzepte oder Winzermarken sind aus Marketingsicht wesentlich erfolgreicher.
Was aber bedeutet das für unsere Qualitätspyramide und die Profilierung unserer Herkünfte? Ich sehe hier sowohl Parallelen zu Graf Neipperg als auch zur Rockband KISS, beide sind selbst Marken. Sie haben ein klares Profil, eine verständliche Botschaft und haben so eine gewisse Bekanntheit erreicht. Mit dem neuen Herkunftssystem haben auch wir die Chance, profilierte Weinqualitäten zu erzeugen und die daraus resultierenden Weine verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren. Wir dürfen nur nicht damit anfangen, unseren Kunden das komplizierte Regelwerk, das hinter alldem steht, erklären zu wollen. Damit können wir nur scheitern. Erfolg werden wir haben, wenn klar ist, wofür wir stehen und was der Weintrinker von deutschen Weinen erwarten kann. Emotionen können in der Kommunikation von Produkten übrigens auch nicht schaden. Womit wir wieder bei KISS wären — die Band war musikalisch bestimmt tipptopp, aber glauben Sie wirklich man spräche heute noch über sie ohne die Masken, die Plateauschuhe und die grandiose Bühnenshow?