Änderungen im Weinrecht

Hinweis

Dieser Artikel ist im ddw 23/2022 erschienen.

Kleiner Bürokratieabbau: »Alkoholfrei« ist nun auch Wein und Wegfall der Oechsle-Tabelle – ein Leitfaden für die Praxis.

Nach ungefähr fünf Monaten intensiver Diskussion endete vergangene Woche mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt das aktuelle Verfahren zur Änderung der Weinverordnung. Die zwölfte Verordnung zur Änderung weinrechtlicher Vorschriften galt ursprünglich als kleine Änderung, die aber bei genauerer Betrachtung doch einige Änderungen mit sich bringt.
Zwar handelt es sich nicht wie im Mai 2021 – ddw berichtete – um eine große Änderung im Bezeichnungsrecht, aber einzelne Änderungen werden doch erheblichen Einfluss auf die Praxis haben.
Dieser Artikel stellt die größten Änderungen vor, um der Praxis ein Leitfaden für die neuen Regelungen zu sein.

EINE BESCHEINIGUNG WENIGER

Zur Beantragung einer Neuanpflanzungsgenehmigung bei der BLE war bisher ein Bescheid der zuständigen Landesbehörde beizufügen, der nachweist, dass die Lage im Anbaugebiet oder im Landweingebiet liegt. Dieses Erfordernis wurde ersatzlos gestrichen. Es ist keine Bescheinigung des Landes mehr erforderlich. Wie in Zukunft die Prüfung, ob die Fläche im abgegrenzten Gebiet der Produktspezifikation liegt, erfolgt, ist durch die BLE noch festzulegen (§ 4 a WeinV).

STÄRKUNG DES VERSUCHSANBAUS

Die Flächenbegrenzung für den Versuchsanbau wird von 0,1 ha pro Betrieb auf 0,5 ha pro Betrieb angehoben. Die Vermarktungsmenge von 20 Hektoliter je Betrieb in Abs. 2 Satz 1 bleibt unverändert bestehen. So soll der Anbau neuer Rebsorten gefördert werden (§ 6 Abs. 1 WeinV).

NICHTS NEUES BEI SÄUERUNG UND ENTSÄUERUNG

Säuerung und Anreicherung sowie Säuerung und Entsäuerung eines Erzeugnisses waren bisher bereits im europäischen Recht verboten und bleiben verboten. Hier wird lediglich die Regelung, die bisher in der weinrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung stand, in die Weinverordnung überführt. An der bisherigen Praxis sollte sich durch die Neufassung nichts ändern (§ 11 Abs. 2/3 WeinV).

ANHEBUNG DER ANREICHERUNGSGRENZEN BEI LANDWEIN

Die Schutzgemeinschaften und Branchenverbände bekommen die Möglichkeit, die Anreicherungsgrenzen für Landwein (Wein mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A)) durch eine Änderung der Produktspezifikation der g.g.A. um bis zu 1 Volumenprozent zu erhöhen.
Erforderlich ist hierfür ein Beschluss der Schutzgemeinschaft oder des Branchenverbandes sowie ein positiv verlaufendes Antragsverfahren zur Änderung der Produktspezifikation bei der BLE.
Der Verordnungsgeber ermöglicht somit in der Weinbauzone A Weißweine mit 12,5 und Rotweine mit 13 Volumenprozent und in der Weinbauzone B Weißweine mit 13 und Rotweine mit 13,5 Volumenprozent
(§ 15 Abs. 2a WeinV).

DER ANFANG VOM ENDE FÜR GRAD OECHLSE?

Die Anlage 8 (zu § 17) Tabelle zur Ermittlung des natürlichen Alkoholgehalts in Volumenprozent aus dem Oechslegrad, die seit Jahrzehnten von der Praxis (mehr oder weniger) verwendet wurde und sich nicht nur bei Winzerinnen und Winzern eingebrannt hat, wird ersatzlos gestrichen. Die Tabelle sei wissenschaftlich nicht mehr zutreffend gewesen und für die Arbeit der Weinkontrolle nicht relevant. Darüber hinaus wurde eher mit aktuellen Tabellen der regionalen Dienstleistungszentren und anderer wissenschaftlicher Organisationen gearbeitet.
Daher gibt es keine offizielle Tabelle mehr. Möglicherweise wird es in Zukunft für jeden Herbst von der Offizialberatung angepasste Tabellen geben. Wie sich diese Änderung auf die Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten.

Erste Gewächse und Große Gewächse – »und täglich grüßt das Murmeltier«

Im Mai 2021 wurde der neue § 32b der Weinverordnung eingeführt und nun zum dritten Mal geändert. Ob mit dieser Änderung nun Ruhe einkehrt, bleibt abzuwarten. Klar ist aber, die Änderung schafft für Erzeugerinnen und Erzeuger rechtliche Klarheit –im Vergleich zu den vorherigen Formulierungen.

Neu ist Folgendes:

  • Der natürliche Mindestalkoholgehalt für Erste Gewächse und Große Gewächse wird in der Verordnung für die Anbaugebiete Mosel, Saale-Unstrut und Sachsen auf 10,5 und für alle anderen Anbaugebiete auf 11 Volumenprozent abgesenkt.
  • Der Bestandsschutz für Erzeugerinnen und Erzeuger, die vor dem 08.05.2021 Erste und Große Gewächse erzeugt haben, wurde klargestellt. Wenn sie die Kriterien der Weinverordnung einhalten, können sie ihre Erzeugnisse weiter vermarkten, auch wenn keine Regelung in der Produktspezifikation vorhanden ist. Wenn eine Regelung in der Produktspezifikation enthalten ist, gilt diese jedoch für alle.

ALLES NEU BEI »ALKOHOLFREI«?

Bisher waren alkoholfreier und alkoholreduzierter Wein ein »Getränk aus Trauben« und kein Wein. Daher galt das allgemeine Lebensmittelrecht und viele Vorgaben aus dem Weinrecht fanden keine Anwendung.

»Alkoholfreier Wein ist jetzt Wein«!
Das hat sich geändert: Das europäische Recht regelt seit dem 06.12.2021 für ganz Europa einheitlich, dass alkoholfreie und alkoholreduzierte Erzeugnisse nunmehr rechtlich Wein sind. Dies gilt auch für entsprechende Perlweine und Schaumweine!
Bereits aus dem europäischen Recht ergeben sich vielfältige Änderungen. Einige dieser Änderungen haben gravierende Auswirkungen, die sich auch auf den Jahrgang 2022 auswirken werden. Die Änderungen sollten aber nicht überraschend kommen, sind diese ja bereits seit dem 06.12.2021 bekannt (auch ddw hatte hier informiert).

Aus dem europäischen Recht ergibt sich:

  • Die Verkehrsbezeichnung, die als obligatorische Angabe immer anzugeben ist, lautet »entalkoholisiert« oder »teilweise entalkoholisiert« (Art. 119 Abs. 1 a i/ii VO (EU) 1308/2013).
  • Die Süßung mit Saccharose ist für Wein verboten. Damit dürfen – anders als im bisherigen nationalen Recht – auch die entalkoholisierten und teilweise entalkoholisierten Erzeugnisse nicht mehr mit Saccharose gesüßt werden (Art. 3 Abs. 5 VO (EU) 2019/934 i. V. m. Anhang I D. VO (EU) 1308/2013).
  • Die Anreicherung ist verboten (Anhang VIII Teil I E Satz 3 VO (EU) 1308/2013).

Aus dem neuen nationalen Recht ergibt sich zusätzlich:

  • Erzeugnisse, in deren Kennzeichnung und Aufmachung der Begriff »entalkoholisiert« zu verwenden ist, dürfen zusätzlich die Angabe »alkoholfrei« in der Kennzeichnung und Aufmachung tragen. Sobald der vorhandene Alkoholgehalt über 0,049 Volumenprozent beträgt, ist die Angabe »alkoholfrei« um die Angabe »(< 0,5 %vol)« zu ergänzen (§ 37 Abs. 4 WeinV).
  • Erzeugnisse, in deren Kennzeichnung und Aufmachung der Begriff »teilweise entalkoholisiert« zu verwenden ist, dürfen zusätzlich die Angabe »alkoholreduziert« in Kennzeichnung und Aufmachung tragen (§ 37 Abs. 5 WeinV).
  • Obwohl es sich bei entalkoholisierten und teilweise entalkoholisierten Erzeugnissen rechtlich um »deutschen Wein« handelt, dürfen auch die Rebsorten der Negativliste der Weinverordnung auf dem Etikett angegeben werden. Es gilt die 85/15 Regelung zum bezeichnungsunschädlichen Verschnitt (§ 42 Abs. 2 WeinV).

Aber es gibt noch eine kurze Übergangsfrist:
Getränke aus Trauben (»alkoholfreie Weine«) bis einschließlich Erntejahrgang 2022 dürfen noch bis zum 31.12.2022 nach den alten Regelungen hergestellt und gekennzeichnet werden. Die bis zum 31.12.2022 gekennzeichneten Erzeugnisse (Getränke aus Trauben) dürfen bis zum Aufbrauchen der Bestände in Verkehr gebracht werden (§ 54 Abs. 20/21).

Schäumende Getränke aus entalkoholisiertem Wein, teilweise entalkoholisiertem Wein und Wein – hier bleibt es zumeist beim Alten!
Da das europäische Recht das Erzeugnis »schäumendes Getränk aus entalkolholisiertem Wein« nicht kennt, gelten die bisher dargestellten Vorgaben nicht. Vielmehr gilt für diese Erzeugnisse das alte Recht mit leichten Modifikationen fort. Neu sind Vorgaben zu Schriftzeichen samt Farbe und Größe sowie die Anwendung der 85/15 Regelung in Bezug auf Rebsortenangaben (§ 47 WeinV).

UND IN ZUKUNFT?

Alle Regelungen traten mit dem Erscheinen im Bundesblatt – mit Ausnahme der Übergangsregelungen – in Kraft. Aber nach der Reform ist vor der Reform. Weitere europäische Änderungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, aber auch die ab dem 08.12.2023 erforderliche Nährwert- und Brennwertangabe, werden wohl Anpassungen im nationalen Weinrecht erforderlich machen. Hinsichtlich der Voraussetzungen zur Herstellung alkoholfreier Weine wird auf Brüsseler Ebene, aber auch auf nationaler Ebene, derzeit auch wieder diskutiert – die Ergebnisse bleiben abzuwarten. ddw und DWV werden weiter informieren.

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