Quelle: DWI

Standpunkt: Überraschender Richtungswechsel – Aktuelle Entwicklung der Weinbaumessen

Zu meinem Bedauern musste ich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder feststellen, dass in der heutigen Zeit im Konsens getroffene Entscheidungen oft nicht mehr als verbindlich angesehen und folglich auch nicht umgesetzt werden. Dieses »Phänomen«, das ich für mehr als bedenklich halte, betrifft natürlich nicht allein die Weinbaubranche, aber die neueste Entwicklung der Weinbautechnikmessen hat mir leider wieder deutlich gezeigt, dass auch wir davon betroffen sind.

Aber fangen wir von vorne an: Anfang Oktober hatten wir mit den Veranstaltern der regionalen Weinbautage einen Konsens bezüglich der zukünftigen Gestaltung der Weinbaumessen getroffen.

Dieser sah wie folgt aus: Alle drei Jahre – im INTERVITIS-Jahr – werden die regionalen Weinbauverbände im Interesse der deutschen Weinwirtschaft zugunsten einer gemeinsamen Zentralveranstaltung in Stuttgart ihre eigenen regionalen Weinbautage zumindest etwas kleiner gestalten und auf eine Technikausstellung verzichten. Auch die Veranstalter der Agrartage Rheinhessen in Nieder-Olm hatten diesem Kompromiss damals zugestimmt. Daraufhin hatten die Veranstalter der INTERVITIS gemeinsam mit dem Ausstellerbeirat in einer Sitzung die Weichen für die Zukunft gestellt und ein neues Messekonzept für das Jahr 2022 verabschiedet.

Dieses sieht eine komplette Neuausrichtung mit einem neuen Termin (6.-8. Februar 2022), ein transparentes und auf die Bedürfnisse kleiner und großer Aussteller zugeschnittenes Preismodell und neben dem nationalen auch einen Fokus auf die relevanten internationalen Märkte vor. (Hier hatten wir darüber berichtet.) Mit der Umsetzung des neuen Konzeptes haben wir bereits begonnen.

Letzte Woche haben nun die Veranstalter der Agrartage Rheinhessen ihren Ausstellern angekündigt, dass sie, entgegen dem von ihnen mitgetragenen Konsens, in den INTERVITIS-Jahren nicht auf ihre Ausstellung verzichten wollen. Diese Entscheidung hat mich doch sehr überrascht, um nicht zu sagen geschockt. Denn die Entscheidung für das Aussetzen der Agrartage zur Stärkung einer internationalen Leitmesse für die deutsche Weinwirtschaft war nicht in Form eines Schnellschusses innerhalb weniger Wochen gefällt worden. Vielmehr ging ihr ein langer Prozess voraus, der ein knappes Jahr gedauert hatte und in dem nach und nach sowohl Aussteller, Besucher, Hochschulen, als auch die Veranstalter der regionalen Veranstaltungen einbezogen worden sind. In letzter Instanz war ein gemeinsamer Weg im Rahmen eines Treffens beim Ministerium in Mainz verabschiedet worden.

Ich kann nicht nachvollziehen, dass dieser ausführlich diskutierte Kompromiss, zu dem sich alle Akteure in der Presse öffentlich bekannten, nun nach einigen Wochen schon wieder Geschichte sein soll. Wurde doch explizit auf die Vorteile der Kompromisslösung hingewiesen, der nicht nur die INTERVITIS als internationale Leitmesse, sondern durch die intensive, partnerschaftliche Zusammenarbeit der Veranstalter auch die Rheinhessischen Agrartage stärken sollte.

Unsere Ankündigung im letzten Mai, die INTERVITIS und den Internationalen DWV-Kongress zusammen mit einem neuen Konzept, dem »Weinbautag der Regionen« im Jahr 2022 durchführen zu wollen, mag den einen oder anderen überrascht haben. Ich möchte hier aber nochmals in Erinnerung rufen, dass der Impuls für eine Neuorientierung der INTERVITIS seitens der Branche und der Industrie kam, die beide eine internationale Plattform in Deutschland als unverzichtbar für den deutschen Weinbau erachten. Sie hatten daher ein abgestimmtes, zukunftsfähiges Konzept für die INTERVITIS und die regionalen Weinbaumessen gefordert. Ich sehe eine Verantwortung aller Weinbauregionen für den Fortbestand der INTERVITIS, auch als Aushängeschild für den Weinbaustandort Deutschland. Die Messe und der internationale Weinbaukongress des Deutschen Weinbauverbands e.V. (DWV) sind langjährig etablierte Treffpunkte für zahlreiche europäische und deutsche Berufskollegen, aber auch für relevante Vertreter der deutschen und europäischen Politik aus EU-Kommission und EU-Parlament. Viele Weichenstellungen für die europäische Weinbaupolitik wurden in der Vergangenheit in Stuttgart angestoßen. Nur in so einem internationalen Rahmen kann ein Netzwerk gepflegt und ausgebaut werden. Für die erfolgreiche europäische und internationale Interessenvertretung eines vergleichsweise kleinen Weinbaulands wie Deutschland ist dieses Netzwerk daher von elementarer Bedeutung.

Darüber hinaus erfahren Wissenschaft, Forschung und Lehre aus den Regionen auf dieser internationalen Plattform eine hohe Wahrnehmung im In- und Ausland. Auch die Aussteller, für die eine internationale Leitmesse richtungsweisend und unverzichtbar für den Export ihrer Maschinen und Technologien ist, hatten diese besondere Relevanz erkannt. Wollen wir das alles wirklich aufs Spiel setzen? Ich möchte mir nicht ausmalen, wie unsere politische Durchschlagskraft in Europa langsam verloren geht, wenn wir ohne INTERVITIS und den internationalen Weinbaukongress nicht mehr auf der europäischen und internationalen Bühne Stärke zeigen können. Nur mit unseren ständig gepflegten europäischen Netzwerken konnten wir unseren Forderungen bislang in Brüssel Gehör verschaffen. Das sollten wir nicht gefährden!

Ich glaube nach wie vor an den Weinbaustandort Deutschland und an die Notwendigkeit einer Internationalen Leitmesse, die letztlich der gesamten Branche zugutekommt. Jetzt sind die Branche und auch die Industrie am Zug. Sie müssen uns zeigen, dass auch sie für den deutschen Weinbau eine internationale Plattform in Deutschland als unverzichtbar erachten!

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