Null Promille?

Konzept des »Safe Level« beim Weinkonsum in Gefahr

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat letzte Woche ein neues Positionspapier zu Alkohol veröffentlicht. Statt der  Angabe eines Referenzwertes empfiehlt sie nun, ganz auf Alkohol zu verzichten. Sie beruft sich dabei auf Daten, die belegen, dass es keine risikofreie Menge für einen unbedenklichen Konsum gibt. Damit ist sie nicht die erste Organisation, die das Konzept vom »No Safe Level« propagiert.

Neu ist jedoch eine derart große  Resonanz auf das Positionspapier, das überall in der Presse und Social Media aufgegriffen und kommentiert wurde. Dabei zeigen sich in den Kommentaren auf Social Media viele erfreut, dass nun endlich wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden, wenn es um das Thema Alkoholkonsum gehe. Diesem Anspruch kann gefolgt werden. Die faktenbasierte Arbeit und die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse war auch immer Forderung der Weinbranche, wenn es um das Thema Alkoholpolitik geht. Der Interpretation der Daten kann dagegen vermutlich weniger zugestimmt werden.

Wir müssen eine erneute, unabhängige wissenschaftliche Prüfung einfordern.

Nun gilt es zunächst, entsprechend unseres wissenschaftlichen Anspruches, den wir auch im politischen Diskurs fordern, die neuen Berechnungen und Daten sowie die für unsere Branche  negativen Schlussfolgerungen der DGE zu hinterfragen bzw.  genau zu prüfen. Sie beruft sich in erster Linie auf Ergebnisse des Canadian Centre on Substance Use and Addiction aus 2023  sowie die Global Burden of Disease Study (GBD-Studie) aus dem Jahr 2022. Insbesondere hinsichtlich der GBD-Studie aus dem Jahr 2022 hatten Wissenschaftler bisher andere Schlüsse gezogen.

Das »No-Safe-Level-Konzept« beruhte auf der GBD-Studie aus dem Jahr 2018. Deren Ergebnisse hinterfragten dieselben  Autoren 2022 jedoch selbst und kamen zu korrigierten  Schlussfolgerungen. »Die Risiken beim Alkoholkonsum hängen stark von der Art der Erkrankung, dem Lebensalter und der kulturellen Umgebung/Region ab, Menschen über 40 Jahre können durchaus von einem moderaten Konsum alkoholischer Getränke profitieren, v.a. durch eine Reduzierung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2«. Die Botschaft von Dr. Emmanuela Gakidou (Professorin, Health Metrics Sciences an der Medizinischen Fakultät der Universität Washington) war einfach: »Junge Menschen sollten nicht trinken, aber ältere Menschen können vom Trinken in kleinen Mengen profitieren«. Wir müssen hier also eine erneute, unabhängige wissenschaftliche Prüfung einfordern.

Schon länger ist uns bekannt, dass die Weinkultur sich aktuell einer immer stärker werdenden Bedrohung durch eine wachsende Abstinenzbewegung ausgesetzt sieht, die daran arbeitet, den Stellenwert von Wein in unserer Gesellschaft zu »verteufeln «. Diese Bewegung unterscheidet nicht zwischen Alkoholmissbrauch auf der einen und verantwortungsvollem, maßvollem Weinkonsum auf der anderen Seite. Besonders bedenklich ist, dass diese Verbreitung von teilweise unvollständigen oder voreingenommenen wissenschaftlichen Informationen eine restriktive Sichtweise schürt, die weltweit zur Auferlegung eines unverhältnismäßigen und ungerechten Rechtsrahmens, der u.a. Werbeverbote, eine restriktive Steuerpolitik und Gesundheitswarnungen enthält, führt. Genau diese Forderungen stellt nun auch die DGE, um den Weinkonsum entsprechend einzuschränken.

Angesichts dieser wachsenden Herausforderungen muss sich die europäische Weinbranche sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene aktiv engagieren, um die bedeutende Rolle zu verteidigen, die dem Wein als festem Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zukommt und die er in unserer Geschichte und Kultur spielt. Dies ist umso erforderlicher, als damit auch eine Förderung der Entwicklung unserer ländlichen Gemeinden, die teilweise vollumfänglich vom Weinbau und Weintourismus abhängig sind, einhergeht. Die europäische Weinbranche bzw. die europäischen Dachverbände haben das schon länger erkannt und beschlossen, eine sogenannte »Grassroots-Kampagne« zur Unterstützung der Kultur und des maßvollen Konsums von Wein ins Leben zu  rufen, um der Politik, den Konsumenten und der Weinwelt eine Stimme zu geben. „VITÆVINO“ soll am 1. Oktober offiziell auch in Deutschland gestartet werden – vermutlich keinen Tag zu früh!

Natürlich unterstützen wir als Weinbranche weiterhin die Bekämpfung von Alkoholmissbrauch. Wir bestreiten aber weiterhin das Konzept des »No-Safe-Level« beim Weinkonsum und setzen uns deshalb für einen bewussten und moderaten Genuss von Wein im Rahmen eines gesunden Lebensstils ein. 

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