Quelle: DWI

Endzeitstimmung?

Beeinflusst durch die Nachrichtenlage kann man entweder alles schwarz sehen oder eben nicht.

Wenn ich am Jahresende nicht gerade mit redaktioneller Arbeit oder vorweihnachtlichem Konsum beschäftigt bin, verbringe ich die Tage nicht selten in einer eigentümlichen Stimmung, schwankend zwischen wehmütigem Rück- und hoffnungsvollem Ausblick. Eine ähnliche Stimmung herrscht momentan auch in der
Redaktion. Wie könnte es auch anders sein, schließlich geben wir mit dieser Ausgabe schon die letzte für dieses Jahr ab. Für mich wird es sogar das allerletzte Heft von immerhin 95 sein. Ein bisschen wehmütig wird man da schon. Wehmütig oder besser wehklagend könnten wir auch auf das hinter uns liegende Jahr blicken, denn 2019 stand vieles vor dem Aus oder fand ein jähes Ende: Die Volkspartei SPD inklusive Parteichefin Nahles, die EU-Mitgliedschaft der Briten (Wiederholung für 2020 geplant), sicher geglaubte westliche Bündnisse, das kontinuierliche Wirtschaftswachstum sowie weite Teile des brasilianischen Regenwaldes. Überhaupt stand 2019 vieles in Flammen. Neben den Kriegsschauplätzen im Jemen, Syrien oder Afghanistan loderte es auch aus dem Dach von Notre Dame und aus den Wipfeln der borealen Wälder. Die Brände nahe des Polarkreises beschleunigen das Auftauen der Permafrostböden, setzen Treibhausgase in die Atmosphäre frei und tragen so zur Erderwärmung bei. Womit wir beim alles beherrschenden Thema 2019 wären, dem Klima. Ganz allgemein gesagt wird dieses rauer, egal ob es sich abkühlt, wie politisch zwischen den USA und wahlweise China, Russland, Iran, Mexiko, der EU etc., oder eben aufheizt wie im Fall der Atmosphäre — gemütlich ist anders.

Alles andere als gemütlich sind leider auch die Feuer, die aktuell in unseren Weinbergen glimmen, zumindest dann, wenn man ihren Hintergrund ernst nimmt und sie nicht als winterlichen Weinbergevent mit Glühweinbegleitung vermarktet. Denn genau wie die Grünen Kreuze oder die jüngsten Traktorkonvois in der Hauptstadt und  anderswo sind sie ein Zeichen dafür, dass die Stimmung kippt. Allerdings nicht nur auf dem Land, auch in den Städten und dort vor allem bei dem Teil der Verbraucher, der sich in der Opposition zur konventionellen Landwirtschaft sieht. Um die Stimmen dieser Opposition nicht allzu laut werden zu lassen, brauchen wir wohl weit mehr als grüne Traktoren oder Kreuze. Wir brauchen Veränderung. Das Problematische an Veränderung ist, man muss sie wollen. Dazu muss man allerdings einsehen, dass sie alternativlos ist.

Vermutlich war die Zeit nie günstiger für Veränderungen als heute.

Kommen wir also zum positiven Teil dieses Beitrags: Vermutlich war die Zeit nie günstiger für Veränderungen als heute. Die Probleme sind erkannt, es herrscht ausreichend Druck und eine neue Generation steht in den Startlöchern und zwar nicht allein auf Seiten der Landwirte und Winzer, sondern auch auf Konsumentenseite. Nach allem was ich über diese neue Generation weiß, habe ich große Hoffnung, dass sie ihren Konsum nicht so bedingungslos wie ihre Vorgänger unter das unheilvolle Motto »Geiz ist geil.« stellt. Wenn dem so ist, sollten wir bereit
sein, ihr die passenden Angebote zu machen. Dass wir das können, ist unstrittig, wir müssen es aber auch tun und vor allem muss man uns lassen.

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit möchte ich heute zum Abschied mit einer passenden Liedzeile enden: It´s the end of the world as we know it (and i feel fine). Den Song von der Band R.E.M. fand ich gerade auf einer Top-10-Liste mit »Hits zum Weltuntergang« wieder. Auf dieser Liste war er mit Abstand der positivste. Wenn wir die notwendigen Veränderungen ähnlich positiv angehen, muss uns vor 2020 und
der Zeit danach nicht bange sein – hoffentlich.

Holger Klein, ddw-Chefredakteur

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