Stellungnahme des DWV zur Erarbeitung eines „Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“ des BMEL

Quelle: DWI

Wir bedanken uns für die Zustellung des BMEL-Ideenpapiers zur Erarbeitung eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz und die Möglichkeit, im Rahmen eines Beteiligungsprozesses Maßnahmen herauszuarbeiten. Gleichzeitig ist unser Eindruck, dass im Pflanzenschutz von Seiten des BMEL primär über Ordnungsrecht anstatt Kooperation nachgedacht wird. Diese grundsätzliche Haltung bedauern wir, insbesondere vor dem Hintergrund unserer Bemühungen zur Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes durch Erarbeitung unserer Leitlinie für den Integrierten Pflanzenschutz im Weinbau[1], unserer Bemühungen zur Stärkung des ökologischen Weinbaus durch die Zulassung von Kaliumphosphonat im ökologischen Rebschutz[2] sowie unseres Positionspapiers zum Pflanzenschutz im Weinbau[3]. Im Januar hatten wir BM Özdemir unseren Vorschlag zur Förderung von Rotationsbrachen im Weinbau zur Stärkung der Biodiversität in schriftlicher Form übergeben.

Leider finden sich unsere Bemühungen in dem BMEL-Ideenpapier nicht wieder. Auch der Aspekt der ökonomischen Säule der Nachhaltigkeit bleibt außen vor, dabei ist dieser zentral für die Erreichung der Ziele der Farm-to-Fork Strategie und die Existenz der Weinbaubetriebe.

Das notwendige Maß an Wirkstoff sichert Ertrag und Weinqualität im Weinbau. Der Pflanzenschutz ist grundlegend für die Weinwirtschaft. Gleichzeitig belegen wissenschaftliche Studien[4], dass der Weinbau, unabhängig der Bewirtschaftungsform, die Arten- und Strukturviefalt erhält und fördert. Dies ist nicht trotz, sondern wegen der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln möglich. Rebflächen sind trotzt Anwendung von Pflanzenschutzmitteln Dauerlebensraum und bieten durch die Bewirtschaftung vielen Arten die Möglichkeit, sich langfristig zu etablieren.

Die Anwendung kulturtechnischer Maßnahmen ist im Weinbau Standard, wie in unserer Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz[5] dargelegt. Gleichzeitig bieten sie im Weinbau keinen pauschalen Ersatz für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Dies gilt für alle Gebietskulissen und ist unabhängig der Bewirtschaftungsform, weswegen wir in unserem DWV-Positionspapier „Pflanzenschutz im Weinbau – Reduktionspotentiale, Grenzen und Perspektiven“[6] uns klar für die Förderung von Recyclingtechnik und abdriftmindernder Geräte sowie die Applikation via Drohne im Steilhang aussprechen, um eine möglichst geringe Umweltwirkung bei gleichzeitiger Ertragssicherheit zu erzielen. Unabhängig der Wirtschaftsweise sowie den angewendeten Präparaten ist der erste Infektionszeitpunkt entscheidend. Hierfür sind bessere kleinräumige Prognosesysteme notwendig.

Beide Ansätze, Förderung von (Recycling-)Technik als auch Anerkennung der Relevanz von Pflanzenschutzmitteln, fehlen im Ideenpapier „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ und müssen darin aufgenommen werden.

Den Fokus auf die Substitution chemisch-synthetischer Mittel durch Pflanzenschutzmittel aus dem ökologischen Weinbau lehnen wir ab. Dies reduziert weder die Behandlungshäufigkeit noch die Menge oder das Risiko im Vergleich zu vielen chemisch-synthetischen Fungiziden, sondern ist am Ende ein reines verblendetes Berechnungssystem. Die reine Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung verändert lediglich die eingesetzten Betriebsmittel und führt nicht automatisch zu einer höheren Artenvielfalt.

Für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Pflanzenschutzes benötigt es ein langfristig funktionierendes Anti-Resistenz-Management. Hier gilt es auch im Zukunftsprogramm Pflanzenschutz die Waage zu halten und Forschungsgelder für die Weiterentwicklung der Wirkstoffpalette, sowie effizienter, umweltschonender synthetischer Mittel bereitzustellen. Da Rebflächen Hotspots der Artenvielfalt sind, wäre der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln und damit die Aufgabe der Rebflächen sicherlich der falsche Weg. Wir empfehlen, die Förderung innovativer Verfahren zum effizienteren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, auch biologischen, in der Liste der Stellschrauben zu ergänzen.

Die angedachte Refugialflächenregelung von 10 % auf Flächen mit bestimmtem Pflanzenschutzmitteleinsatz entspricht einer Stilllegung von Teilflächen durch die Hintertür ohne Vergütung des Ertragsverlustes und des Arbeitseinsatzes. Dies führt zwangsläufig zu einer Verteuerung der Produktion und damit zu Betriebsaufgaben. Die Alternative werden Verbuschungen mit massivem Biodiversitätsverlusten sein. Die Bewirtschaftung der Flächen hat erst dazu geführt, dass die Gebiete schutzwürdig wurden. Im Ideenpapier wird weder spezifiziert, welche Pflanzenschutzmittel anvisiert werden, noch wird auf den Einsatz von abdriftmindernder Technik oder Teilflächenapplikation eingegangen. Anstatt der Refugialflächenregelung sprechen wir uns für die Förderung von Rotationsbrachen aus.

Eine Datenbank für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln entspricht nicht der Idee der Entbürokratisierung und wird daher abgelehnt. Dokumentationsdaten der Betriebsführung sind Eigentum der Betriebe und dürfen nicht für alle ersichtlich in zentralen Datenbanken einsehbar sein.

Es bleibt unklar, wie das 50%-Einsparungsziel mit den Maßnahmen des Ideenpapiers erreicht werden soll. Wir begrüßen, dass bereits erzielte Fortschritte in der Pflanzenschutzmittelreduktion im „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ anerkannt werden sollen. Laut JKI Pesticide-Trends Database Explorer wurden die Pflanzenschutzmittelaufwendungen in Deutschland im Vergleich zu den Jahren 2011 bis 2013 bereits um 37 % verringert[7]. Daher ist für uns unverständlich, warum trotz der bereits hohen erzielten Reduktionen an einem pauschalen 50 %-Ziel festgehalten werden soll. Die von uns erbrachten Leistungen und darüber hinaus erbrachten Vorschläge finden hier keinerlei Berücksichtigung. Etwaige ordnungsrechtliche Regelungen werden in dem Ideenpapier nicht konkretisiert und sind daher abzulehnen. Die Bewirtschaftbarkeit von Rebflächen muss unabhängig der Gebietskulisse gewahrt bleiben.

Um die Motivation zur Umsetzung von Reduktionsmaßnahmen zu erhöhen, ist eine Vollkostenrechnung für Alternativmaßnahmen unabdingbar. Alleinige Anreize durch nichtkostendeckende Maßnahmen wie die Ökoregelungen oder Agrarumweltmaßnahmen sind weder ausreichend noch entsprechen sie dem ursprünglichen Förderziel. Der DWV ist sich der Notwendigkeit der Reduktion bewusst, weswegen wir uns dafür entschieden haben, Reduktionspotentiale zu lokalisieren und einen Weg aufzuzeigen, wie diese gehoben werden. Das entsprechende DWV-Positionspapier wurde im Juli 2023 veröffentlicht und ist abrufbar unter https://deutscher-weinbauverband.de/wp-content/uploads/2023/08/2023-07-26_DWV-Positionspapier_Reduktionspotentiale-PS-im-Weinbau.pdf.

 

Der Deutsche Weinbauverband e.V., kurz DWV, ist die Berufsorganisation der deutschen Winzerinnen und Winzer. Er vertritt die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen und setzt sich dafür ein, die beruflichen Belange der deutschen Winzerschaft zu wahren und zu fördern.

[1] https://deutscher-weinbauverband.de/leitlinie-ips/
[2] https://deutscher-weinbauverband.de/positionspapier-des-deutschen-weinbauverbandes-e-v-zu-pflanzenschutz-im-weinbau-reduktionspotentiale-grenzen-und-perspektiven/
[3] https://deutscher-weinbauverband.de/positionspapier-des-deutschen-weinbauverbandes-e-v-zu-pflanzenschutz-im-weinbau-reduktionspotentiale-grenzen-und-perspektiven/
[4] https://www.julius-juehn.de/pressemitteilungen/pressemeldung/news/pi2022-18-weinbau-steillagen-der-mosel-sind-ein-hotspot-der-artenvielfalt/ sowie Kaczmarek, Marvin & Entling, Martin & Hoffmann, Christoph. (2023). Differentiating the effects of organic management, pesticide reduction, and landscape diversification for arthropod conservation in viticulture. Biodiversity and Conservation. 10.1007/s10531-023-02621-y. abrufbar unter https://www.researchgate.net/publication/370691420_Differentiating_the_effects_of_organic_management_pesticide_reduction_and_landscape_diversification_for_arthropod_conservation_in_viticulture oder Leyer, I., and K. Mody. (2022) Förderung der Biodiversität im Weinbau. S. 196-210 in K. Ulrich, Editor. Ganzheitliche Nachhaltigkeit in der Weinwirtschaft – Zukunftsfähige Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette. Ulmer, Stuttgart
[5] https://deutscher-weinbauverband.de/leitlinie-ips/
[6] https://deutscher-weinbauverband.de/positionspapier-des-deutschen-weinbauverbandes-e-v-zu-pflanzenschutz-im-weinbau-reduktionspotentiale-grenzen-und-perspektiven/
[7] Absatz dividiert durch Aufwandmenge, HRI-Gruppe (alle), Alle PSM, Gesamtsumme; https://sf.julius-kuehn.de/pesticide-dbx/hri; Bezugszeitraum in Anlehnung an die Farm-2-Fork Strategie der EU, abgerufen am 23.04.2024

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