Der Wind hat sich gedreht

Die politischen Entscheidungsträger müssen sich die Zeit nehmen, den Wissenschaftlern zuzuhören.

Ab dem 26. Mai 2026 wird Irland das erste europäische Land sein, das auf dem Etikett vor dem Zusammenhang zwischen Krebs und (nicht schädlichem) Alkoholkonsum warnt. Belgien wird nachziehen und möchte Warnhinweise im Rahmen der Werbung für alkoholische Getränke einführen. Diese beiden Initiativen sind der Europäischen Kommission zur Bewertung gemeldet worden. Den irischen Vorstoß winkte die EU-Kommission trotz des Widerstands anderer Mitgliedstaaten bereits durch, bei der belgischen Initiative geht man davon aus, dass die Kommission auch nicht reagieren wird. Die Weinwirtschaft steht langsam einer immer größer werdenden existenziellen Bedrohung gegenüber – zumal die WHO und andere Gesundheitsbehörden weiter erklären, dass keine Alkoholmenge unbedenklich ist, und zwar unabhängig davon, ob man Wein, Bier oder Schnaps trinkt: »No safe level«.

Es scheint in den letzten fünf Jahren plötzlich die Priorität der weltweit führenden Gesundheitsorganisation zu sein, diese Botschaft unters Volk zu bringen. Ist diese Richtungsänderung überraschend? Nein, wenn man genauer in den Dokumenten der Organisation liest und erkennt, mit wem sie zusammenarbeitet: Abstinenzgruppen, die nun einen Weg gefunden haben, die Abstinenzpolitik in die globale Gesundheitsarena einzuführen! Die Anti-Alkohol-Verbände haben Initiativen ins Leben gerufen, um sich für höhere Alkoholsteuern einzusetzen und gegen die Verfügbarkeit und Vermarktung von Alkohol vorzugehen. Ziel ist es, die Botschaft, »Es gibt kein sicheres Maß«, weiter zu verbreiten. Das hat auch bereits Wirkung gezeigt: Im August 2023 glaubten 39 Prozent der Amerikaner, dass selbst mäßiger Alkoholkonsum ihrer Gesundheit schadet. Die europäische Weinwirtschaft hat dies schon vor Jahren kommen sehen und 2008 als Reaktion auf die drohende Anti-Alkohol- Gesetzgebung die Organisation Wine in Moderation (WIM) gegründet. Ihr Ziel ist es, einen maßvollen Konsum zu fördern.




WIM ist aber genau die Art von Organisation, die die Anti-Alkohol-Lobby als »Fassade« betrachtet, die geschaffen wurde, um der Alkoholwirtschaft zu helfen, sich zu schützen. Dieser Aussage kann ich sogar zustimmen. Wenn man sich nicht gut »benimmt«, wird man durch die Gesetzgebung zerstört. Indem wir uns selbst einen Verhaltenskodex auferlegt haben, versuchen wir, Restriktionen zu verhindern, uns zu schützen. Das ist auch legitim. Wir unterstützen die Bemühungen der EU, die Schäden durch Alkoholmissbrauch zu verringern. Das große Problem ist jedoch die ständige Lobbyarbeit von anderen, die nicht darauf abzielt, die besten Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs zu finden, sondern die besten Maßnahmen, um Alkoholkonsum komplett zu eliminieren. Die Entwicklung hat sich beschleunigt, weil sich die Anti- Alkohol-Verbände jetzt untereinander abstimmen und mit öffentlichen Geldern gemeinsam kämpfen. »Kein sicheres Maß« ist eine einfach zu vermittelnde und zu verstehende Botschaft, die Wissenschaft dagegen ist komplex.

Die politischen Entscheidungsträger müssen sich trotzdem die Zeit nehmen, den Wissenschaftlern zuzuhören. WIM bzw. die Deutsche Weinakademie belegen ihre Äußerungen über Wein und Gesundheit immer mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die die WHO-Annahme »kein sicheres Niveau« gerade nicht unterstützen. David Clement vom kanadischen Consumer Choice Center schrieb im Rahmen dieser Diskussion in der Financial Post: »Der zunehmende Einfluss von Abstinenzorganisationen auf Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit wirft wichtige Fragen darüber auf, wie die Politik gestaltet wird. Wäre es angemessen, wenn eine Gruppe wie People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) die Regierungspolitik in Bezug auf den Fleischkonsum bestimmen würde?« Eine berechtigte Frage! Warum also dürfen Abstinenzgruppen die globale Gesundheitspolitik bestimmen?

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