Nahezu die gesamte deutsche Weinbaufläche ist einer geografischen Angabe zugeordnet. Insbesondere die 13 Deutschen Anbaugebiete stellen als geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) dabei den absoluten Kern der Weinerzeugung dar. So wurden im Jahr 2023 bei einer Erntemenge von 8,6 Millionen Hektoliter Wein und Most mit 8,2 Millionen Hektoliter Qualitäts- und Prädikatswein ein Anteil von 96,3 Prozent unter Verwendung einer g.U. vermarktet (Quelle: DeStatis Pressemitteilung Nr. 117 vom 22. Mai 2024). Der Deutsche Weinbauverband e.V. (DWV) vertritt durch seine Mitglieder die überragende Mehrheit der Erzeugenden, die Mitglieder der Organisationen zur Verwaltung herkunftsgeschützter Weinnamen (Schutzgemeinschaften) sind, und insoweit die Mehrheit aller deutschen Schutzgemeinschaften.
Zum Beteiligungsverfahren
Für die Weinbranche geht es beim vorgelegten Entwurf faktisch um die Zukunft der gesamten Erzeugung. Es ist insoweit bereits absolut unverständlich, warum die Verbände der Weinbranche bei einer Frist von ungefähr 168 Stunden erst über 60 Stunden nach weitaus weniger betroffenen Branchen in die Anhörung eingebunden werden. Auch die – ausweislich des Anschreibens nur beantragte – Fristverlängerung – um ein Wochenende – vermag darüber nicht hinwegzutäuschen.
Darüber hinaus ist eine Frist von nur einer Woche zur Abgabe einer Stellungnahme im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere wenn diese Frist einen Feiertag umfasst, aus mehreren Gründen rechtlich bedenklich und in der Praxis unzumutbar. Zunächst widerspricht eine solch kurze Frist dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs und der Partizipation, der den betroffenen Verbänden und Wirtschaftsbeteiligten die Möglichkeit gewähren soll, ihre Interessen in angemessener Weise geltend zu machen. Eine solche kurze Frist stellt insbesondere ein Missverhältnis zwischen der Bedeutung der Stellungnahmen für den Gesetzgebungsprozess und den zur Verfügung gestellten Ressourcen und Zeiten dar. Insgesamt läuft eine einwöchige Frist daher Gefahr, den demokratischen Prozess zu untergraben und wichtige Beteiligte faktisch von der Teilhabe auszuschließen. Die Anhörung der relevanten Akteure ist dabei nicht nur ein formales Erfordernis, sondern dient auch dazu, die Qualität und Umsetzbarkeit von Gesetzen sicherzustellen. Für den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens und das angekündigte Verordnungsgebungsverfahren fordern wir daher eine angemessene Frist, um die Beteiligung der von den Regelungen betroffenen Praxis effektiv sicherstellen zu können! Den faktischen Ausschluss der Praxis im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sind wir nicht bereit weiter zu akzeptieren! Wir behalten uns deshalb auch vor im weiteren Gesetzgebungsverfahren nach erneuter Beteiligung unserer Mitglieder zu unserer folgenden ersten Stellungnahme Ergänzungen und Änderungen vorzunehmen und in das Verfahren einzubringen!
Zum Referentenentwurf selbst
Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Die Ausführungen zum Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft überzeugen nicht und vermitteln den Eindruck, dass die Änderungen keine nennenswerten Auswirkungen auf die Praxis haben. Dem widersprechen wir entschieden. Zwar ist es richtig, dass die Anerkennung als Erzeugervereinigung freiwillig ist, dies heißt aber nicht, dass nicht auch für eine allgemeine Erzeugervereinigung gesteigerte Kosten anfallen. Dies gilt insbesondere, da nun die „Gruppe interessierter Erzeuger“ wegfällt. Auch die Einführung einer Rechtsform, einer im Vergleich zur bisherigen Verwaltungspraxis gesteigerten Nachweispflicht und neue Anforderungen im Verwaltungsverfahren führen für die Praxis zu einem gesteigerten Aufwand, der nicht ehrenamtlich erbracht werden kann. Auch das europäische Recht geht von einem steigenden Kostenaufwand aus und sieht daher die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung. Wir fordern hier vor den tatsächlichen Kosten der Praxis und dem erheblichen Erfüllungsaufwand nicht die Augen zu verschließen.
Artikel 1 des Referentenentwurfs
Der Inhalt des Referentenentwurfs ist insoweit zu begrüßen, als dass dieser versucht, die im europäischen Recht angelegten Spielräume für die Branche nutzbar zu machen. Dabei begegnen dem Entwurf aber auch strukturelle Bedenken. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der zahlreichen vorgesehenen Verordnungsermächtigungen ohne Zustimmung des Bundesrates. Hierbei ist insbesondere auf Teil II Abschnitt 2 des AgrarGeoSchDG hinzuweisen. Dieser wird im allgemeinen Teil der Begründung als „Herzstück des Gesetzes“ bezeichnet. Inhaltlich werden in den §§ 10 – 16 die Regelungen für die Eintragung, Änderung, Löschung, usw. vorgesehen. Dabei handelt es sich um die Vorgaben, die neben den Regelungen zum Erzeuger und zur Erzeugervereinigung die Erzeuger als Rechtsempfänger am stärksten betrifft. Dass diese für die Praxis wichtigen Regelungen, aufgrund zahlreicher europäischer Änderungen, nicht immer einem formellen Gesetzgebungsverfahren unterliegen sollen, sondern, wie es im allgemeinen Teil des Entwurfs heißt „um […] flexibel reagieren zu können“ nur einem Verordnungsgebungsverfahren, findet unsere Zustimmung. Warum aber das „Herzstück“, also der wesentliche Inhalt des Gesetzes durch eine Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates ausgestaltet werden soll, erschließt sich nicht. Dies gilt insbesondere auch daher, da der Entwurf darüber hinaus eine Ermächtigung für Eilverordnungen vorsieht. Durch diese Ermächtigung ist der Flexibilität genüge getan und es bedarf keiner Verordnungsermächtigung ohne Zustimmung des Bundesrates. In diesem wichtigen Bereich gefährdet eine Verordnungsermächtigung ohne Zustimmung des Bundesrates das Prinzip des Föderalismus, schwächt die Gewaltenteilung und reduziert die demokratische Legitimation von Entscheidungen. Gerade letzteres ist im Agrargeoschutz durch die wichtige Rolle der Erzeugenden jedoch von entscheidender Bedeutung! Insoweit sind die §§ 10 – 16 an die demokratischen Vorgaben und die Anforderungen an ein „Herzstück“ anzupassen und eine Zustimmung des Bundesrates vorzusehen.
Neben dieser allgemeinen Kritik gehen wir im Folgenden aufgrund der kurzen Beteiligungsmöglichkeit nicht abschließend auf einzelne Aspekte des Referentenentwurfs ein.
§ 1 Abs 6 Nr. 2
Wir begrüßen die Klarstellung, dass die bisherige Verwendung der traditionellen Begriffe der Weinbranche, insbesondere der Begriff Qualitätswein sowie die Prädikate, ohne Änderungen weiterhin verwendet werden können.
§ 2 Nr. 13 iVm § 4 Abs 2 Nr. 1
Hinsichtlich der Definition des Begriffs „Erzeuger“ begrüßen wir, dass sich der Referentenentwurf an einer Definition versucht. Dem Entwurf ist insoweit zuzustimmen, dass es der systematischen Abgrenzung des Wirtschaftsbeteiligten und des Erzeugers bedarf. Für die Weinbranche ist dabei – anders als für andere Branchen – besonders, dass die Urproduktion der Trauben hinsichtlich der Herkunft und der Erzeugungsvorgaben ebenfalls stark den Regelungen der Produktspezifikation im Agrargeoschutz unterliegt. Die Frage, ob ein Erzeuger im Sinne des Agrargeoschutzes auch der Traubenerzeuger sein kann und die damit einhergehenden Auswirkungen diskutieren wir derzeit innerhalb der Branche. Hier zeigt sich noch keine klare Tendenz. Der Entwurf des Gesetzes würde derzeit zu einer erstmaligen Teilung des Erzeugerbegriffs führen. Ob diese im Sinne der Branche ist, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Insoweit begrüßen wir, die vorgesehene Verordnungsermächtigung, um den Besonderheiten der Weinbranche gerecht zu werden, behalten uns aber vor unsere Position zur Erzeugerdefinition auch im Gesetzgebungsverfahren, nach Abschluss der Meinungsbildung in unseren Gremien, noch einmal anzupassen und eine Aufnahme der Traubenerzeuger zu fordern.
§ 2 Nr. 14
Wir begrüßen die Klarstellung, dass der Begriff Satzung an dieser Stelle nicht rechtstechnisch zu verstehen ist, sondern jede vergleichbare Vereinbarung den Anforderungen genügt.
§ 3 Abs. 4
Die hier vorgesehene Übertragung der Zuständigkeit des Verfahrens durch das Bundesministerium ohne Zustimmung des Bundesrates lehnen wir ab. Insoweit verweisen wir auf die allgemeine Kritik, da auch die Zuständigkeit wesentlich für den Antragsteller ist. Wir fordern daher auch hier die Aufnahme einer Verordnungsermächtigung mit Zustimmung des Bundesrates.
§ 4 Abs. 2 Nr. 3 sowie Nr. 4 e und g
Hinsichtlich Nr. 3 ergibt sich für uns nicht, wie der unbestimmte Rechtsbegriff „Personengruppen“ definiert sein soll und inwieweit dieser Aspekt erforderlich ist. Der Verweis in der Begründung auf Art. 323 Absatz 1 Unterabsatz 3 Satz 1 der Verordnung (EU) 2024/1143 hilft insoweit nicht weiter.
Nr. 4 e ermöglicht es Anforderungen an die Funktionsweise zu stellen. In der Begründung hierzu heißt es, dass hier insbesondere der Aspekt der Vertretung durch den Fachverband vorgesehen werden kann, solange die Kontrolle bei den Mitgliedern bleibt. Wir begrüßen diese Klarstellung fordern aber für das Verordnungsgebungsverfahren eine Umsetzung gemeinsam mit der Praxis, um hier praxistaugliche Vorgaben und Umsetzungen sicherzustellen.
Nr. 4 g fordert die finanziellen Mittel. Hier betonen wir bereits jetzt, dass diese Anforderung im Rahmen der dann anstehenden Verordnungsgebung weit zu fassen ist und bspw. auch das Erbringen der Geschäftsführung ohne Gegenleistung hierunter zu verstehen sein muss.
§ 5 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 3
Zwar bietet das europäische Recht die Möglichkeit, dass eine anerkannte Erzeugervereinigung anhand zwei alternativer Bedingungen ihre Repräsentativität nachweisen kann. Aus Sicht der Weinbranche könnte hier ein Abstellen lediglich auf die in § 5 Abs. 3 Nr. 2 a vorgesehen Anzahl der Erzeuger – auch hinsichtlich des Nachweises – vorteilhaft sein. Hier befinden wir uns noch in der Abstimmung und behalten uns vor im Gesetzgebungsverfahren eine Anpassung zu fordern.
Die in Abs. 4 Nr. 3 vorgesehene zusätzliche Anforderung erschließt sich uns nicht. Insbesondere Mindestwert und Mindestmenge, wie sie bereits im WeinG definiert wurden, haben sich in der Praxis als untaugliche Kriterien erwiesen und sollten daher nicht aufgenommen werden. Gegen eine absolute Mindestanzahl an Köpfen spricht aus Sicht der Mehrheit der deutschen Erzeuger mutmaßlich nichts, einige könnten dadurch jedoch ausgeschlossen werden (bspw. es gibt nur einen Erzeuger in der g.U.). Diese Anforderungen, die insbesondere auch einen erheblichen Aufwand im Nachweis sein können, müssen daher auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden und scheinen uns eher abzulehnen zu sein.
§ 36
Wir verstehen, dass verwaltungsseitig Kosten entstehen können und insoweit auf geltendes Gebührenrecht verwiesen werden soll. Dies ist in der Weinbranche bisher aber nicht üblich. Da zeitnah im Entwurf nicht von einem gesteigerten Erfüllungsaufwand ausgegangen wird, erschließt sich uns nicht, warum nun Gebühren eingeführt werden sollen. Wir lehnen dies für Änderungsanträge daher ab.
Artikel 2 des Referentenentwurfs
Die Änderungen im WeinG sind aufgrund der Neufassung folgerichtig und insbesondere das Wegfallen einzelner Anforderungen in § 22g WeinG ist zu begrüßen. Die Anpassung in § 22b WeinG hinsichtlich kleinerer geografischer Angaben ist als Ergänzung zur Rechtsklarheit zu begrüßen.
Zur Finanzierung der neuen Erzeugervereinigungen
Seit vielen Jahren fordern wir die Schaffung einer Finanzierungsmöglichkeit unserer Schutzgemeinschaften. Lange bestand die Hoffnung eine entsprechende Regelung in der Reform des Geoschutzrechts vorzusehen. Trotz entsprechender Anklänge im europäischen Recht fehlt eine solche Finanzierungsregelung. Wir fordern hiermit wiederholt eine echte und konkrete finanzielle Unterstützung der Schutzgemeinschaften, in Zukunft Erzeugervereinigungen, um das Ehrenamt zu entlasten und die Aufgabe der Verwaltung der Herkünfte auf alle Erzeugenden der g.U. zu verteilen.
Der Deutsche Weinbauverband e. V., kurz DWV, ist die Berufsorganisation der deutschen Winzerinnen und Winzer. Er vertritt die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen und setzt sich dafür ein, die beruflichen Belange der deutschen Winzerschaft zu wahren und zu fördern.