Die Europäische Kommission hat am 20. Mai 2020 die „Farm2Fork-Strategie“ als Teil des Europäischen Green Deal angenommen. Diese Strategie zielt darauf ab, den ökologischen und klimatischen Fußabdruck des EU-Lebensmittelsystems zu verringern und den Übergang zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung zu erleichtern. Die Strategie zielt auf die gesamte Lebensmittelkette ab und beschreibt unter anderem die Notwendigkeit, die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln zu fördern, die Verbraucher durch Informationen auf dem Etikett besser zu informieren und die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
In diesem Kontext hat die Europäische Kommission eine Konsultation zur Novelle der LMIV gestartet und plant einen Entwurf zur Änderung Ende des Jahres 2022 vorzulegen.
DWV-Position
Die Zielrichtung der Konsultation lässt vermuten, dass die gerade erst in der GMO geschaffenen (Verordnung (EU) 2117/2021 zur Änderung der Verordnung 1308/2013) und zum 08.12.2023 in Kraft tretenden Vorschriften zu Nährwert- und Brennwertangaben auf Etiketten bereits wieder in Frage gestellt werden sollen.
Dies lehnen wir ab. Wir sind der Meinung, dass der Weinsektor, dank der in der neuen GMO enthaltenen Bestimmungen, die Ziele des Green Deal der EU und des Plans zur Krebsbekämpfung erreichen wird. Es besteht keine Notwendigkeit, weitere Rechtsvorschriften für den Weinsektor zu erlassen.
Regelungen der neuen GMO
Die neuen Bestimmungen in der GMO gehen auf eine Initiative der europäischen Weinbranche zurück und sind mit den Erzeugern zusammen entwickelt worden. Nach dem Bericht der Europäischen Kommission vom 13. März 2017 über die „verpflichtende Kennzeichnung des Zutatenverzeichnisses und der Nährwertdeklaration alkoholischer Getränke“ engagierten sich die EU-Verbände und die nationalen Verbände, die den Sektor der alkoholischen Getränke vertreten, konstruktiv, um einen von der Europäischen Kommission geforderten Selbstregulierungsvorschlag zu erarbeiten.
Der Sektor der alkoholischen Getränke nahm die Herausforderung an und reichte innerhalb eines Jahres – am 12. März 2018 – einen gemeinsamen Selbstregulierungsvorschlag bei der Kommission ein und legte ihn Kommissar Andriukaitis vor.
Der Weinsektor, als einziger landwirtschaftlicher Sektor, legte einen Selbstregulierungsvorschlag vor, in dem er sich verpflichtete, die Nährwertdeklaration und die Inhaltsstoffe auf dem Etikett und/oder im Off-Label- Bereich in einer harmonisierten und kohärenten Weise für die Verbraucher bereitzustellen. Der Vorschlag sieht vor, dass Marktteilnehmer, die Informationen über Off-Label-Kommunikationsmittel bereitstellen wollen, auf dem Etikett oder der Verpackung ihres Produkts einen erkennbaren Link anbringen, der den Verbrauchern einen einfachen und direkten Zugang zu diesen Informationen ermöglicht. Die angenommene GMO geht die Herausforderung an, die Kennzeichnung der Nährwertdeklaration und des Zutatenverzeichnisses für den Weinsektor durch einen ehrgeizigen und modernen Ansatz zu regeln.
Dieser Ansatz wurde im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik aufgenommen. Wir sind der Meinung, dass unser spezifischer und sehr detaillierter Rechtsrahmen sowohl die Verbraucher als auch die Marktteilnehmer schützt. Neue Wege der Verbraucherinformation – gerade der Einsatz digitaler Hilfsmittel als Ergänzung zu den Angaben auf dem Etikett – sollten insofern hervorgehoben werden, als sie ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität gewährleisten und gleichzeitig eine zusätzliche Belastung der Marktteilnehmer vermeiden. Elektronische Etiketten scheinen am besten geeignet zu sein, um den Verbrauchern zu helfen, detaillierte, maßgeschneiderte und aktuelle Informationen in ihrer eigenen Sprache abzurufen und gleichzeitig die Beeinträchtigung des Binnenmarktes und die Unterbrechung der Handelsströme zu vermeiden. Eine entsprechende Pilotierung fand bereits statt und es gibt erste Anbieter am Markt, die eine solche digitale Plattform anbieten.
Wir sind der Ansicht, dass diese Bestimmungen der GMO mit dem Europäischen Green Deal und insbesondere mit der Mitteilung „Shaping Europe’s digital future“, der neuen EU-Verbraucheragenda und dem EU-Plan zur Krebsbekämpfung übereinstimmen. Die Verbraucher werden in der Lage sein, auf alle relevanten Informationen zuzugreifen, nicht nur auf der Flasche, sondern auch online, wo detailliertere Informationen, zum Beispiel über einen verantwortungsvollen Konsum, übereinstimmend mit den neuen Anforderungen aus dem Krebsbekämpfungsplan, verfügbar sein werden.
„Nutri-Score“
Der „Nutri-Score“, als zusätzliche Kennzeichnungsmöglichkeit für Lebensmittel ist in seinen Berechnungskomponenten, Referenzwerten und dem Algorithmus von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt worden, um den ernährungsphysiologischen Unterschied einzelner Produkte zu vergleichbaren Produkten am Markt grafisch hervorzuheben.
Die Fragen der Konsultation lassen weiter vermuten, dass die Überlegung besteht, einen „Nutri-Score“ auch auf Weinetiketten einzuführen. Dies lehnen wir ab.
Auch die Arbeitsgruppe zu FOPNL (Front-of-pack nutrition labelling) zum Codex Alimentarius der WHO steht der Angabe eines „Nutri-Scores“ oder vergleichbarer Angaben auf dem Frontetikett kritisch gegenüber. In der Zusammenfassung heißt es frei übersetzt:
„Es wäre unangemessen, eine FOPNL auf alkoholische Getränke anzuwenden, da die FOPNL die Verbraucher zu einer grundsätzlich gesünderen Lebensmittelauswahl anleiten sollen. Die Förderung einer Alkoholart gegenüber einer anderen auf der Grundlage von Risikonährstoffen, die für andere Lebensmittel ermittelt wurden, ist irreführend und könnte zu einer ungewollten Förderung einiger alkoholischer Getränke führen.“
Im Rahmen dieser Überlegungen wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, die wir skeptisch sehen und nicht nachvollziehen können. Da Wein aufgrund seiner Inhaltsstoffe nicht zwingend einen „schlechten Score“ erhalten würde, hat der Ernährungswissenschaftler Serge Hercberg, einer der Entwickler des Nahrungsmittel-Kennzeichnungssystems „Nutri-Score“, vorgeschlagen, alkoholische Getränke mit dem schwarzen Buchstaben F zu kennzeichnen und damit vor ihrem Konsum zu warnen.
Dies lehnen wir entschieden ab. Der gerade gefasste Beschluss des Europäischen Parlamentes zum Krebsbekämpfungsplan und die damit einhergehenden Diskussionen haben gezeigt, dass vor moderatem Alkoholkonsum nicht gewarnt werden muss. Wir fordern sich zu dieser Beschlussfassung zu bekennen und nicht das durch Änderung abgelehnte „no-safe-Level“ mit farblicher Stigmatisierung eines Produkts durch die Hintertür einzuführen.
Zusammenfassung
In Anbetracht der GAP-Reform und der freiwilligen Verpflichtungen des Sektors der alkoholischen Getränke von 2018 sollte die Überarbeitung der LMIV-Verordnung daher:
1) die Kohärenz zwischen den verbindlichen Etikettierungsvorschriften für Wein und aromatisierte Weinerzeugnisse gemäß der Verordnung (EU) 2021/2117 und der laufenden Initiative zur Überarbeitung der LMIV sicherstellen;
2) den Weinsektor aus dem Anwendungsbereich der LMIV weiterhin auszuschließen, um unnötige Überschneidungen zu vermeiden;
3) alle Angaben, mit Ausnahme des Energiewerts, durch einen QR-Code auf dem Etikett zu ermöglichen und eine Angabe auf dem Frontetikett weiterhin nicht zulassen;
4) und die Angabe des Energiewerts durch das internationale Symbol „E“ zuzulassen.
Der Deutsche Weinbauverband e.V., kurz DWV, ist die Berufsorganisation der deut-schen Winzerinnen und Winzer. Er vertritt die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen und setzt sich dafür ein, die beruflichen Belange der deutschen Winzerschaft zu wahren und zu fördern.