Die politische Antwort auf die Frage: »Welcher Rahmen passt zur Profilierung?«
Gespannt wartet die Weinbranche seit Monaten auf den Referentenentwurf des Landwirtschaftsministeriums für eine umfassende Reform des Weingesetzes. Die Weinbauregionen wünschen sich einen gesetzlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, ihre Herkunft zu profilieren und damit die Besonderheit und Spezifität ihres Gebietes hervorzuheben. In den Schutzgemeinschaften haben die Arbeiten begonnen, viele Diskussionen sind geführt, die ersten Beschlüsse bereits gefasst worden – ohne jedoch zu wissen, ob diese tatsächlich in den künftigen Rahmen passen. Noch ist unklar, wie groß oder klein dieser Rahmen und damit der Gestaltungsspielraum der Regionen sein wird. Welche Regelungen bezüglich der Produktspezifikationen der Anbaugebiete kann, darf oder muss der Staat tatsächlich noch für die Regionen treffen, weil sie diese Aufgabe nicht allein bewältigen können?
Diese Fragestellung bringt mich auf die Grundsatzfrage nach den Aufgaben des Staates, die mir aus dem Schulfach Politik noch in guter Erinnerung sind. »Brauchst Du eine hilfreiche Hand, so suche sie zunächst am Ende Deines rechten Armes« – diese Aussage des deutschen Soziologen Alexander Rüstow beschreibt seine Überzeugung, nach der auf der Grundlage von Freiheit und Eigenverantwortung jedes Individuum – im Rahmen seiner Kräfte – zunächst selber für die Gestaltung seines Lebens sowie für die Prägung seines unmittelbaren Umfeldes verantwortlich ist.
Der Staat sollte nicht überall intervenieren, sondern sich, wie ein Schiedsrichter, auf die Gestaltung und Einhaltung der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen konzentrieren. Die Urheber der Reform der gemeinsamen europäischen Marktorganisationsordnung müssen sich vor rund zehn Jahren an diesem Leitgedanken des modernen liberalen Staates orientiert haben, als sie entschieden haben, dem Erzeuger selbst die Verantwortung, die Verwaltung der Produktspezifikation seines Anbaugebietes zu übergeben. Dieser Paradigmenwechsel muss nun endlich umgesetzt werden und die Erzeuger müssen in den Schutzgemeinschaften auch in die Lage versetzt werden, diese Gestaltungsfreiheit zu nutzen und durch abgestufte Regelungen z.B. zum Hektarertrag, zu Rebsorten, Mostgewichten oder oenologischen Verfahren eine Herkunftsprofilierung in ihrem Anbaugebiet vorzunehmen.
Wir wollen Regeln im Bezeichnungsrecht, die für den Verbraucher mehr Klarheit und Transparenz bringen. Dafür bedarf es neben der Individualität der Gebiete auch einer gewissen Einheitlichkeit.
Christian Schwörer, DWV-Generalsekretär
Natürlich wird es noch die ein oder andere Diskussion in den Schutzgemeinschaften geben bis sich diese auf Kriterien und eine Abstufung der Kriterien in der Herkunftspyramide geeinigt haben und diese so mit Leben gefüllt wird. Aber diese Aufgabe werden die Schutzgemeinschaften letztlich im Konsens zum Wohle ihres Gebietes meistern, sofern der Gesetzgeber ihnen diese Möglichkeit lässt. Natürlich wollen wir Regeln im Bezeichnungsrecht, die für den Verbraucher mehr Klarheit und Transparenz bringen und dafür bedarf es neben der Individualität der Gebiete auch einer gewissen Einheitlichkeit. Dies muss der gemeinsame Rahmen garantieren – keine einfache Aufgabe, einerseits den Wunsch nach Individualität und andererseits den Wunsch nach Einheitlichkeit unter einen Hut zu bringen – aber sie muss und kann gelöst werden.
Und wenn ich nochmals zur Aufgabe des Staates als Schiedsrichter zurückkomme, muss ich direkt an die Kontrollaufgaben im Zusammenhang mit der Einhaltung der Produktspezifikation denken. Kontrollaufgaben sind nämlich auch nach dem modernen Verständnis Aufgaben des Staates.
Dabei sollte es auch bleiben.