Die EU konkretisiert ihre Nachhaltigkeitsziele, macht jedoch keine Vorschläge zu deren Umsetzung und Finanzierung.
Die europäische Weinbranche ist aktuell weiter mit der Gestaltung von Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise beschäftigt. Insbesondere unsere südeuropäischen Nachbarn aus Italien, Spanien und Frankreich bereiten eine Krisendestillation als marktstabilisierende Maßnahme vor. In Brüssel dagegen scheint die Politik wieder zur Normalität zurückkehren zu wollen. Im Rahmen ihres sogenannten »European Green Deals« hat die EU-Kommission eine Biodiversitätsstrategie und eine »Vom Hof auf den Tisch«-Strategie veröffentlicht. Mit diesen zwei sehr ambitionierten Mitteilungen möchte sie insbesondere die Landwirtschaft auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten.
Die EU-Kommission hat die Messlatte sehr hoch gelegt. Ziel ist es, u. a. den Einsatz von chemischen Pestiziden bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren und alternative Methoden zu fördern. Auch der Einsatz von Düngemitteln soll bis 2030 um mindestens 20 Prozent reduziert werden. Außerdem soll der ökologische Landbau bis 2030 auf mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausgeweitet werden. Das sind Forderungen, die in unserer Branche eine große Diskussion auslösen werden, zumal die nationale Umsetzung und die Finanzierung noch vollkommen unklar sind. Beispielsweise müsste das ehrgeizige Ziel von EU-weit 25 Prozent Ökolandwirtschaft unbedingt mit einer gleichlaufenden Entwicklung des Absatzes für Öko-Lebensmittel einhergehen. Betrachtet man die aktuelle Dauer von Zulassungsverfahren von neu entwickelten Pflanzenschutzmitteln, muss man doch große Zweifel an der Umsetzbarkeit bzw. zumindest am vorgegebenen Zeitplan haben.
Es müssen praxistaugliche und realistische Kompromisse gefunden werden.
Christian Schwörer, DWV-Generalsekretär und ddw-Chefredakteur
Es ist keine Frage, dass sich auch unsere Branche den gesellschaftlichen Erwartungen stellen muss. Klar ist aber, dass die Aufgaben im Umwelt- und Klimaschutz auf verschiedenen Schultern verteilt und nicht nur auf die Landwirtschaft abgeladen werden dürfen. Unstreitig ist wohl, dass zum Erhalt der Biodiversität Schritte erforderlich sind. Der erste Schritt dabei ist immer die Ursachenforschung. Insofern unterstützen wir nachdrücklich Projekte, durch welche ein Monitoring ermöglicht wird, das den Rückgang von Insektenpopulationen überwacht und analysiert. Verschiedene Aspekte wie die fortschreitende Urbanisierung, die damit einhergehende Lichtverschmutzung und der Flächenverbrauch müssen dabei auch unbedingt miteinbezogen werden.
Im Rahmen der Diskussion um die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 (GAP) können nicht alle möglichen Forderungen an uns herangetragen werden, die wir aus einem begrenzten, unter Umständen auch noch gekürzten Agrarhaushalt, erfüllen müssen. Eine Ausweitung von Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft wird mit den aktuellen Finanzierungsplänen nicht gelingen.
Falsch wäre jedoch, zu hoffen, dass durch eine »Komplett-Opposition« unserer Branche mit der Agrarpolitik einfach weiter gemacht wird wie bisher. Wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat, kann das zu harten Brüchen führen. Bei den von der EU vorgelegten Strategien handelt es sich nach Aussage des EU-Umweltkommissars Sinkevičius um Diskussionsgrundlagen und nicht um Gesetze. Ähnlich wie im Zusammenhang mit dem Insektenschutzprogramm unserer Regierung müssen wir daher in einen konstruktiven Dialog mit der Politik treten, um Landnutzung und Naturschutz zusammenzubringen, die sich keinesfalls unversöhnlich gegenüberstehen. Bei der nationalen Umsetzung wird es jedoch darum gehen, die »Balance zu halten« und für unsere Branche praxistaugliche und realistische Kompromisse zu finden, mit denen letztlich unsere Branche gestärkt wird.
Ich hoffe, dass unsere Regierung es während ihrer Ratspräsidentschaft schafft, die Ziele dieser neuen Strategien mit den Zielen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zu verbinden. An neuen Strategien mangelt es der EU nicht. Aber sie müssen auch zusammenpassen, umsetzbar und finanzierbar sein.