Einleitung
Der DWV hat am 22. September 2022 an der Abschlusskonferenz zu der vom BMEL in Auftrag gegebenen „Studie zur Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft in Deutschland“ online teilgenommen. In der Studie wurde schwer-punktmäßig untersucht, vor welchen Herausforderungen Frauen in der Landwirtschaft stehen, wie ihr Lebens- und Arbeitsalltag aussieht und wie es um die Gleichstellung von Mann und Frau bestellt ist.
Die Studie zeichnete ein gemischtes Bild. Die Gleichstellung von Frau und Mann im Bereich „Führungskräfte“ und im Bereich der gerechten Verteilung der Arbeit bzw. Arbeitsbelastung ist noch sehr ausbaufähig. Die Studie zeigt aber auch positiv auf, mit welchen Ermächtigungsstrategien sich Frauen ihren Platz im Betrieb erarbeitet haben und welchen (unverzichtbaren) Stellenwert Frauen in der Landwirtschaft generell haben.
Gleichstellung
Unter den in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen sind nur 19 % als Betriebsleiterinnen oder als Geschäftsführerinnen tätig. Weibliche Angestellte und Auszubildene machen 6 % der befragten Frauen aus. 4 % sind Altenteilerinnen.
Frauen wird noch immer eher die Rolle als Mutter, Hausfrau und „Mädchen für Alles“ bzw. „Springerin“ zugeschrieben. Töchter und Frauen werden eher mit Aufgaben wie Buchhaltung, Stallarbeit, „soziale Aufgaben“ (z.B. Ansprechpartnerin für Mitarbeiter:innen) und (betriebliches) Kochen vertraut gemacht. Weniger vertraut gemacht werden sie hingegen mit Aufgaben der Maschinenwartung und Feldarbeit. Im Gegensatz zu Söhnen treten Töchter dadurch mit unterschiedlichem „kulturellem Kapital“ die Nachfolge eines landwirtschaftlichen Betriebs an. Es sind auch nach wie vor überwiegend Söhne, die den elterlichen Betrieb übernehmen; nur 18 % der Frauen übernehmen die Hofnachfolge.
Für diese Unterschiede werden die in vielen Betrieben noch immer vorherrschenden patriarchalen Strukturen genannt.
Beruf und Familie
Zudem zeigt die Studie klar, dass Frauen im Vergleich zu Männern viel mehr unbezahlte Arbeit leisten und die überwiegende Verantwortung bei der Sorgearbeit tragen. Zudem werden 21 % der Frauen als „Burn-Out“-gefährdet eingeschätzt. Als Ursache dafür konnte ausgemacht werden, dass Frauen eine Vielzahl verschiedener Arbeiten übernehmen: neben dem „Mutter-Dasein“ und der Betreuung der Familie (Haushalt, Fahrdienste, Pflegetätigkeiten in Bezug auf Kinder und die ältere Generation) sind Frauen im Betrieb tätig und üben nicht selten zusätzlich ein Ehrenamt aus.
Soziale Absicherung
Viele Frauen sind finanziell immer noch stark abhängig von ihrem Partner oder Ehemann. Das betrifft sowohl die Alterssicherung als auch die Absicherung im Falle einer Trennung oder Scheidung. Nur 50 % der befragten Frauen zahlen Pflichtbeiträge in die LAK ein. 20 % der Frauen geben an, eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge zu haben. Fast 80 % sorgen privat für das Alter vor.
Problematisch ist auch, dass das Anrecht auf Altenteil nur am Ehestatus festgemacht wird und nicht an der (bisherigen) Mitarbeit im Betrieb. 18 % der befragten Ehepartnerinnen haben einen Ehe- oder Partnerschaftsvertrag abgeschlossen. 29 % verfügen über ein zu ihren Gunsten ausgestelltes Testament und nur 17 % sind über eine Lebensversicherung gesichert.
Ermächtigungsstrategien
Positiv aus der Studie hervorzuheben ist die Erkenntnis darüber, mit welchen Ermächtigungsstrategien sich Frauen ihren Platz im elterlichen, eingeheirateten oder auch neu (aus-)gegründeten Betrieb erarbeitet oder geschaffen haben. Zu nennen sind dabei z.B. die akademische Professionalisierung (die das fehlende kulturelle Kapital verschleiert), positive Vorbilder (Existenzgründerinnen, Empowerment durch Familie und Bekannte), die Trennung von Arbeit und Beziehung und die sog. „Pluriaktivität“ innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs (Schaffung von Autonomie über andere Betriebszweige wie die hofeigene Weiterverarbeitung, Tourismus, Erlebnispädagogik oder Direktvermarktung).
Daneben konnte der Studie als positives Ergebnis entnommen werden, dass Frauen als Treiber von Innovationen gelten und dass sie ein Teil der Lösung für den in der Landwirtschaft herrschenden Fachkräftemangel sind.
DWV-Handlungsoptionen
Der DWV wird zukünftig insbesondere die weitere Aufklärung und Information darüber vorantreiben, welche Unterstützungsangebote für Frauen es gibt (z.B. Betriebshelferinnen und Haushaltshilfen als Sozialleistung während und nach der Schwangerschaft) und welche Förderangebote die Länder anbieten (z.B. Förderprogramme des Landes Baden-Württemberg und des Deutschen LandFrauenverbands e.V. im Bereich Netzwerken und Mentoring).