Von Milchkannen, Mobilfunk und Ministern

Beim Ausbau des Mobilfunknetzes darf der Ländliche Raum auf keinen Fall zu kurz kommen.

Ortstermin Ortenau: Frühlingssonne, sattgrüne Wiesen, steile Rebhänge — eine malerische Kulisse. Wie immer in solchen Momenten zücke ich mein Smartphone, um die ddw-Follower via Facebook und Instagram an meinen Eindrücken teilhaben zu lassen. Leider ohne Erfolg, denn ausgerechnet jetzt bin ich vollkommen abgeschnitten von der virtuellen Außenwelt. Nach mehreren Versuchen, durch das Erklimmen umliegender Hügel doch irgendein Netz zu ergattern, gebe ich frustriert auf — in den Sozialen Medien würde man das als »Epic Fail« bezeichnen.

Inmitten der Schwarzwaldidylle fühle ich mich unweigerlich an den Ausspruch der aktuellen Forschungsministerin erinnert, die meinte, 5G sei nicht an jeder Milchkanne notwendig. Nicht erst in diesem Moment bin ich absolut anderer Meinung und nicht ganz zu Unrecht hatte die Ministerin für ihre Aussage damals einiges an Kritik u. a. von ihrer Kollegin aus dem Landwirtschaftsministerium einstecken müssen.

Der Name der Bildungspolitikerin entfällt mir zwar immer wieder, aber vergangene Woche tauchte er zusammen mit ihrem umstrittenen Zitat in einer Kolumne auf SPON wieder auf. Sascha Lobo (ja genau, der mit den auffälligen Haaren) kritisiert darin nicht nur die Aussage der besagten Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, sondern vor allem das Vorgehen der Bundesregierung bei der Versteigerung der 5G-Mobilfunklizenzen. Laut Lobo wiederhole diese ihre Fehler aus dem Jahr 2000.

Damals war es um die Vergabe der 3G-Lizenzen gegangen. Die Regierung Schröder hatte Milliarden von den Mobilfunkunternehmen gefordert und auch bekommen. Mit dem Ergebnis, dass den Lizenznehmern nach ihren Milliardeninvestitionen das nötige Kleingeld fehlte, um die Netze zu verbessern und in Nachfolgetechnologien zu investieren. Als Folge zahlen die deutschen Digitalkonsumenten noch heute ein Vielfaches ihrer Nachbarn für die Datenübertragung und vom schnellen Netz profitieren noch immer hauptsächlich die Ballungsräume.

Diese Einschätzung teilen übrigens Politiker jeglicher Couleur — und sogar unsere europäischen Nachbarn. So zitiert Lobo in seinem Beitrag auch Kersti Kaljulaid. Diesen Namen oder zumindest das Zitat der Staatspräsidentin von Estland sollte man sich merken. Kaljulaid bemerkte jüngst in einem Interview mit Blick u.a. auf Deutschland: »Wir haben nicht damit gerechnet, dass große Volkswirtschaften es sich erlauben würden, bei der Digitalisierung so weit zurückzufallen.«

Die Landwirtschaft zählt zu den digitalsten Branchen des Landes.

Holger Klein, Chefradakteur ddw

Das sitzt! Besonders in Zeiten, in denen sich gefühlt die halbe Welt darüber wundert, dass sich der einstige Technologieführer in seinen Kernkompetenzen, wie etwa dem Automobilbau, scheinbar ohne Gegenwehr überholen lässt.

Womit wir wieder bei Lobo wären. Der lässt in seiner Kritik nämlich nicht unerwähnt, dass die Landwirtschaft zu den digitalsten Branchen des Landes zählt und schlussfolgert daraus, dass 5G sehr wohl an jeder Milchkanne (und, wie ich meine, auch an jedem Rebstock in der Ortenau und anderswo) gebraucht wird. Denn der neue Standard sorgt nicht nur für schnellen Datentransfer, er ist auch besonders energieffizient und ermöglicht somit kostengünstig die Übertragung relevanter Informationen aus dem Weinberg auf den Rechner des Winzers. Für den Weinbau, der künftig vor immensen Herausforderungen steht, kann diese Technologie überlebenswichtig werden.

Im Übrigen habe ich keine Ahnung, ob Frau Karliczek Milch trinkt, aber bei einem Glas Riesling wären sie und einige ihrer Kollegen sicher zu einer anderen Einschätzung gekommen.

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