GAP-Reform und Brexit

Quelle: DWI

Was dürfen wir 2020 aus Europa erwarten?

Auf nationaler Ebene steht dem deutschen Weinsektor mit der geplanten Weingesetzreform ein spannendes und diskussionsreiches Jahr bevor. Doch auch auf europäischer und internationaler Ebene wird es dieses Jahr nicht langweilig werden: Der in der letzten Legislaturperiode begonnene
Reformprozess der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nimmt 2020 wieder Fahrt auf. Aufgrund des letzten Abstimmungsergebnisses in Großbritannien geht das Thema »Brexit« in die nächste – vorrausichtlich letzte – Runde. Und auch mit den US-Strafzöllen werden wir uns leider weiter beschäftigen müssen. Bei diesem Thema muss Europa einerseits Geschlossenheit zeigen, um zu einer schnellen Verhandlungslösung zu kommen. Andererseits ist auch Solidarität gefragt, um den
Betroffenen den notwendigen finanziellen Ausgleich zu ermöglichen.

Eine grünere GAP kann nicht ohne ein stabiles Budget umgesetzt werden.

Europa hat im Mai vergangenen Jahres gewählt. Das Interesse der Bevölkerung an Europa war erfreulicherweise gestiegen und hat sich in der seit zwanzig Jahren höchsten Wahlbeteiligung (51 %) niedergeschlagen. Angesichts der Bedeutung und des Einflusses der europäischen Politik auf die nationale Gesetzgebung ist das jedoch weiterhin viel zu wenig. Die großen Volksparteien haben nicht von diesem gesteigerten Interesse des Bürgers an Europa profitiert. Die politischen Kräfteverhältnisse in Europa sind kräftig durchgeschüttelt worden. Die großen Volksparteien – Konservative und Sozialisten – mussten deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Liberale und vor allem Grüne, allerdings auch Vertreter der europakritischen, rechten und linken Flügel haben an Einfluss gewonnen. Diese neue Konstellation wird in weiteren Verhandlungen der Agrar- und Weinbaupolitik für Spannung sorgen und die Diskussionen bei umwelt- und alkoholpolitischen Themen anheizen. Die EU-Kommission hatte bereits im Sommer 2018 ihre Vorschläge zur GAP-Reform veröffentlicht. Schnell war klar, dass eine beträchtliche Kürzung des Gesamtbudgets des Agrarsektors um fast 5 Prozent geplant ist. Insbesondere in der 2. Säule waren empfindliche Kürzungen vorgesehen. Die nationalen Stützungsprogramme des Weinsektors sollten hingegen im Rahmen der neuen nationalen Strategiepläne erhalten bleiben.

Die Kürzungen mögen zwar – nicht zuletzt wegen des Brexit – notwendig sein, sind jedoch, angesichts der Forderung der Gesellschaft nach einer grüneren Agrarpolitik, als sehr problematisch einzustufen. Eine grünere GAP kann jedenfalls nicht ohne ein stabiles Budget umgesetzt werden.

Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments hatte bereits in der letzten Legislaturperiode einige weinspezifische Regelungen angenommen. Dabei ging es u.a. um eine Verlängerung des Genehmigungssystems für Neuanpflanzungen (über 2030 hinaus) und um ein sektorspezifisches Regime für Wein hinsichtlich der Nähr- und Brennwert- sowie Zutatenkennzeichnung. Die Europäische Weinbranche ist sich hier einig, dass an diesen Beschlüssen festgehalten werde sollte. Weitere vermeintlich kleinere Änderungsvorschläge hinsichtlich der weinspezifischen Regelungen (z.B. beim Thema Anreicherung) werden voraussichtlich im weiteren Reformprozess zu einigen Diskussionen zwischen den südlichen und den nördlichen Weinbauregionen in Europa führen. Hier ist Durchhaltevermögen und Verhandlungsgeschick gefragt.

Werfen wir noch kurz einen Blick nach Großbritannien auf die Schlussphase des
Brexit-Theaters. Schon lange vor dem Brexit war der drittwichtigste Auslandsmarkt für deutsche Weine ein schwieriger Markt. Im letzten Jahr hatten die Brexit-Diskussionen den Export eher beflügelt, denn aufgrund der Unsicherheiten hatten viele versucht, sich mit Wein einzudecken. Eine konkrete Aussage über die Auswirkungen auf den deutschen Weinexport lässt sich hier weiterhin kaum treffen. Es wird sicherlich teuer und kompliziert werden. Zudem werden die EU-Länder Nachteile gegenüber Südafrika oder Chile haben, für die sich ja nichts ändern wird.

Christian Schwörer, DWV-Generalsekretär und ddw-Chefredakteur

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