DWV-Factsheet: Bewusst geniessen

Quelle: DWI

ALKOHOLKONSUM Kampf gegen Alkoholmissbrauch, Prävention und Aufklärung statt Restriktionen: Die Hintergründe des EU-Krebsbekämpfungsplans und die Auswirkungen auf die Weinbranche.   

Seit Jahren setzt sich der Trend fort, dass Gesundheitsorganisationen auf internationaler und europäischer Ebene sowie in einigen EU-Mitgliedstaaten im Osten und Norden nicht mehr allein den schädlichen Alkoholkonsum, sondern jeglichen Alkoholkonsum als das Problem bezeichnen, das es zu bekämpfen gilt. In den vergangenen Jahren hatten sich Weinerzeuger und Weinkonsumenten noch nicht wirklich mit diesen Tendenzen und ihren möglichen Konsequenzen für unseren Wirtschaftszweig beschäftigen müssen. Das hat sich in den letzten Wochen schlagartig geändert, da die Diskussion um die Verabschiedung des sogenannten Krebsbekämpfungsplans nicht nur im EU-Parlament, sondern auch in der Wein- beziehungsweise Alkoholbranche, in der Presse und der Öffentlichkeit kontrovers geführt wurde. Mit der Verabschiedung des EU-Krebsbekämpfungsplans wird die Diskussion um die Folgen von Alkoholkonsum nicht beendet sein, sie wird weiter gehen. Die Branche muss ihre Verantwortung weiterhin sehr ernst nehmen und ihre Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs nicht nur fortsetzen, sondern noch erheblich intensivieren.

In nachfolgendem Beitrag wird gezeigt, durch welche internationalen und europäischen Entwicklungen im Bereich der Alkoholpolitik die Weinbranche immer mehr in die Zange genommen wird. Was kann und muss die Branche tun? Was ist unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über Alkoholmissbrauch der richtige Weg zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserem Produkt? Nachhaltige Weinkultur und verantwortungsvoller Konsum insbesondere durch die aktive Unterstützung des Programms »Wine in Moderation « muss gefördert werden. Die Deutsche Weinakademie (DWA), die in Deutschland dieses Programm umsetzt, ist jedem Erzeuger gerne dabei behilflich.

 

EIN STURMTIEF AUS DEM EU-PARLAMENT

Am 15. Februar verabschiedete das Plenum des EU-Parlaments nach intensiven Beratungen den sogenannten Krebsbekämpfungsplan. Dieser Initiativbericht, den ein Sonderausschuss des EU-Parlaments (»Beating Cancer« oder kurz BECA-Ausschuss) ausgearbeitet hatte, verfolgte an sich einen ganzheitlichen Ansatz – beginnend mit der Prävention und frühzeitigen Diagnose über eine gute und schnelle Behandlung bis zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten. Beim Thema Prävention ging es dabei auch um den richtigen Umgang mit Alkohol. Besonders an diesem Thema hatte die Presse ein großes Interesse, drohende Warnungen auf Weinflaschen wurden fast von jeder Redaktion in der Berichterstattung thematisiert. Die eigentlichen oben genannten Ziele und Inhalte des umfassenden Strategiepapiers gerieten daneben eher in den Hintergrund.

Neben den im Raume stehenden Warnhinweisen bezog sich der Bericht des Sonderausschusses auf das Konzept der WHO, wonach es kein sicheres Maß für den Alkoholkonsum gibt (»No safe level «), wenn es um die Krebsprävention geht. Der Schwerpunkt der bisherigen Alkoholstrategie – so auch in der letzten Mitteilung der Europäischen Kommission – lag noch auf der Verringerung von Alkoholmissbrauch und nicht von Alkoholkonsum insgesamt. Mit Veröffentlichung des Berichts des BECA-Ausschusses wurde daher deutlich, dass ein anderer Wind in Brüssel aufgezogen war, der die europäische Weinwelt ordentlich durcheinanderwirbeln könnte. Im Fokus waren unter anderem auch Werbung und Sponsoring.

Der Bericht forderte die Einführung von Alkoholwerbebeschränkungen bei gewissen Sportveranstaltungen (die hauptsächlich von Minderjährigen besucht werden) und das Verbot des Alkoholsponsorings bei Sportveranstaltungen. Im Bericht des Sonderausschusses wurde zudem gefordert, eine Überprüfung der Alkoholsteuer vorzunehmen.

Noch gab es im Europäischen Parlament letztlich keine Mehrheit für die Befürworter eines Kampfes gegen jeglichen Alkoholkonsum. Mehrere Abgeordnete brachten im Plenum eine Mehrheit zustande, die einen Kampf konzentriert auf den gesundheitsschädlichen Alkoholkonsum für richtig und wichtig erachtet. Der angenommene Text unterscheidet nun grundsätzlich zwischen schädlichem und maßvollem Konsum. Außerdem wird empfohlen, den Verbrauchern Informationen über maßvollen und verantwortungsvollen Alkoholkonsum zur Verfügung zu stellen. Warnhinweise wurden erstmal nicht für erforderlich gehalten. Der Deutsche Weinbauverband (DWV) und alle weiteren Verbände der deutschen und europäischen Weinbranche begrüßen die Annahme des geänderten Berichts.

Die Europäische Kommission muss nun die Gesetzesinitiativen in Angriff nehmen, die im Fahrplan für die Umsetzung des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung aufgeführt sind. Die Weinbranche erwartet von der EU-Kommission, sich weiterhin auf die Bekämpfung des schädlichen Alkoholkonsums zu konzentrieren. Zurücklehnen dürfen wir uns trotzdem nicht. Wir sehen die Branche auch weiterhin in der Verantwortung, ihren Beitrag bei der Bekämpfung des schädlichen Alkoholkonsums zu leisten. Der jüngste Vorstoß, Alkoholkonsum insgesamt massiv einzuschränken, wird nicht der letzte in Brüssel gewesen sein.

 

AUCH DIE WHO VERSCHÄRFT IHRE ALKOHOLPOLITIK

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Sitz in Genf drängt seit Jahren auf eine weltweit strengere Regulierung der Hersteller alkoholhaltiger Getränke und ihrer Produkte. Zur Verstärkung der Umsetzung der »Globalen Strategie zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums« aus dem Jahr 2010 hat die WHO im vergangenen Jahr den Entwurf eines Globalen Alkohol-Aktionsplans 2022–2030 veröffentlicht. Vorgeschlagen werden weitere Werbe- und Verkaufsbeschränkungen sowie Steuererhöhungen und das bisherige Ziel einer relativen Reduktion des Alkoholkonsums bis zum Jahr 2030 erheblich zu erhöhen. In diesem Aktionsplan ist damit eine deutliche Verschärfung der Alkoholpolitik vorgesehen. Die jetzt vorgeschlagenen operativen Ziele des Aktionsplans sind nicht mit denen der Globalen Alkoholstrategie aus dem Jahr 2010 identisch. Im Gegenteil: Als neues globales Ziel wird eine relative Reduktion des Alkoholkonsums um 20 Prozent bis 2030 (im Vergleich zu 2010) vorgeschlagen. Damit würde das derzeitige Reduktionsziel von 10 Prozent, das 2010 politisch von der Weltgesundheitsversammlung gebilligt und bekräftigt wurde, verdoppelt. Hinzu kommt, dass die WHO versucht, den Dialog mit der Wirtschaft im Rahmen der Entwicklung des Aktionsplans wesentlich einzuschränken. Die Zielsetzung der WHO, den Alkoholmissbrauch zu bekämpfen, findet zwar die uneingeschränkte Unterstützung der Weinbranche. Leider geht die Tendenz in der WHO aber auch dahin, nicht mehr ausreichend zwischen moderatem und schädlichem Alkoholkonsum zu unterscheiden. Zudem versäumt es der Aktionsplan auch, den Rückgang des schädlichen Alkoholkonsums hinreichend zu berücksichtigen. Die Globale Strategie zur Reduzierung des schädlichen Alkoholkonsums trug im vergangenen Jahrzehnt zur signifikanten Verringerung des starken episodischen Trinkens, des Alkoholkonsums von Minderjährigen sowie der Mortalität im Zusammenhang mit schädlichem Alkoholkonsum bei. Dies belegen mehrere Studien wie der Globale Statusbericht der WHO. Richtigerweise wurden in den Entwurf des Aktionsplans auch neuere Daten zum Alkoholmissbrauch aufgenommen, die zeigen, dass die WHO-Euro-Zone das in der Globalen Alkoholstrategie festgelegte Ziel, bis 2030 den missbräuchlichen Alkoholkonsum um 10 Prozent gegenüber 2010 zu reduzieren, bereits übertroffen hat. Trotz dieser positiven Entwicklung wird sich die Tendenz der WHO, weiterhin ihre Alkoholpolitik zu verschärfen, fortsetzen.

 

WIE BEWERTET DIE BRANCHE DIESE ENTWICKLUNG?

Wie können die Branche oder wir als Interessenvertreter diesen Entwicklungen auf der europäischen und internationalen Ebene entgegentreten? Was sind unsere Forderungen an die Politik? Alle politischen Maßnahmen im Bereich der Alkoholpolitik müssen wissenschafts- und evidenzbasiert sein. Das muss die klare Botschaft, die nachdrückliche Forderung an die politischen Entscheidungsträger sein. Die im Krebsbekämpfungsplan des Sonderausschusses enthaltenen Annahmen waren dies aber gerade nicht. Der BECA-Bericht stützte seine Empfehlungen auf eine einzige wissenschaftliche Studie, die im August 2018 in The Lancet, eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, und auf der WHO-Website veröffentlicht wurde. Der BECA- Bericht stützte sich auf diese Studie, um klarzustellen, dass es kein sicheres Maß an Alkoholkonsum gibt, und impliziert, dass Abstinenz allein schützend ist. Eine eingehende Analyse der Studie hätte jedoch ein anderes Bild ergeben. Das wichtigste Ergebnis der Studie ist, dass nur übermäßiger Alkoholkonsum ein Risiko darstellt, nicht aber mäßiger Alkoholkonsum. Das Risiko zwischen Abstinenzlern und mäßigen Konsumenten ist jedoch fast identisch. Der Unterschied im Risiko zwischen Abstinenz und zwei Getränken pro Tag beträgt nur 0,06 Prozent – so die Aussage in dem Lancet-Artikel selbst. Das Konzept »kein sicheres Maß an Alkoholkonsum « ist damit irreführend und vereinfachend, da es gerade nicht das Trinkverhalten und andere Lebensstilfaktoren berücksichtigt. Krebs ist eine multifaktorielle Krankheit, und die Krebsrisikofaktoren müssen im Kontext von Kultur-, Trink-, Ess- und Lebensgewohnheiten bewertet werden. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen, dass ein maßvoller Weinkonsum zu einer Mahlzeit im Rahmen einer mediterranen Ernährung zu einer höheren Lebenserwartung und einem geringeren Auftreten schwerer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs beitragen kann

 

BEITRAG DER BRANCHE: PRÄVENTION DURCH AUFKLÄRUNG

Die deutschen Weinerzeuger müssen sich als Produzenten alkoholhaltiger Getränke ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein und auch weiterhin durch vielfältige Präventionsaktivitäten zu einem verantwortungsvollen Konsum von Wein beitragen. Mit dem Informations- und Aufklärungsprogramm »Wine in Moderation« (WiM) hat sich der europäische Weinsektor bereits 2007 gegenüber der EU-Kommission verpflichtet, über gesundheitliche Gefahren des Missbrauchs zu informieren, um nicht zuletzt auch restriktiven Maßnahmen zu begegnen. Daher beinhaltet das Wine-in-Moderation-Programm auch die weinspezifische Kommunikation über gesundheitliche Vorzüge und die Einbindung des Genuss- und Kulturwerts. Das Programm soll einen Beitrag zur langfristigen Sensibilisierung der Weinkonsumenten liefern und für verantwortungsvollen Umgang mit Wein werben. Durch ihre Mitgliedschaft treten die Erzeuger einerseits offensiv für moderaten Weinkonsum und andererseits für Verzicht in bestimmten Lebenssituationen wie etwa in der Schwangerschaft, Stillzeit oder im Straßenverkehr ein. Mit Nachdruck unterstreicht die Weinwirtschaft zudem die Notwendigkeit einer speziell auf junge Menschen ausgerichteten Präventionsstrategie. Damit diese Kampagne ein politisches Gewicht bekommt, müssen alle Erzeuger an einem Strang ziehen und sich WiM anschließen. Es ist die einzige Chance jedes einzelnen Betriebes, gegenüber der Politik aktiv Flagge zu zeigen und mitzuhelfen, ein wirtschaftliches und nachhaltiges Umfeld zu wahren, in dem auch die kommenden Winzergenerationen eine Zukunft haben. Die Deutsche Weinakademie (DWA) ist als nationaler Koordinator verantwortlich für die Umsetzung des europäischen Programms in Deutschland. Die WiM-Initiative wird von zahlreichen Organisationen, Institutionen und Firmen der Weinwirtschaft unterstützt.

 

VERBOTE VERHINDERN

Die Zahlen für Deutschland belegen, dass effektive Missbrauchsbekämpfung möglich ist, ohne auf Maßnahmen wie weitere EU-weite Werbeverbote und Verkaufsbeschränkungen zurückzugreifen. Entsprechende Regelungsansätze würden in die Souveränität der Mitgliedstaaten eingreifen, zudem ist ihre Wirksamkeit oft nicht evidenzbasiert belegt. Aktivitäten zur Alkoholprävention sind seit langem auch zentrale Bausteine in der Informations- und Aufklärungspolitik der Bundesregierung. Im Jahr 2021 hatte deshalb auch der Deutsche Bundestag beschlossen, dass insgesamt mehr Geld in die Suchtprävention fließen soll – was insbesondere auch der Alkoholprävention im Jugendalter zugute kommt. Der letzte Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung hebt hervor, dass beim Alkoholkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener ein signifikanter Rückgang zu verzeichnen ist, was auch auf die vielfältigen Präventionsanstrengungen zurückzuführen sei. Die Trends zeigen, dass immer weniger 12- bis 17-jährige Jugendliche schon einmal Alkohol getrunken haben. Auch der regelmäßige Alkoholkonsum geht in dieser Altersgruppe zurück. Zudem ist das Rauschtrinken bei Jugendlichen geringer verbreitet als in früheren Jahren. Die Frage, ob Aufklärung und Prävention den gewünschten Erfolg haben, kann wohl daher klar mit ja beantwortet werden. Dennoch ist es wichtig, die Menschen weiter für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol zu sensibilisieren, da Alkoholmissbrauch mit besonders hohen gesundheitlichen Risiken verbunden ist.  

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