Analog oder digital?

Dieser Artikel ist im ddw 16/17 erschienen.

Seit Jahren wird in unserer Branche über das Thema Brennwert-, Nährwert- und Zutatenkennzeichnung diskutiert. Seit Jahren zeichnete sich bereits ab, dass die Befreiung für alkoholische Getränke – auch für Wein – von der obligatorischen Brennwert-, Nährwert- und Zutatenkennzeichnung für Lebensmittel enden wird. Ende 2023 ist es jetzt so weit. Ab dem 8. Dezember 2023 muss der Brennwert eines Weines auf seinem Etikett angegeben werden. Diese Regelung soll nach dem aktuellen Vorschlag für eine delegierte Verordnung der EU-Kommission aber erst für Weine gelten, die nach diesem Datum hergestellt wurden.
Auch die Angabe der Zutaten und der weiteren Nährwerte im Wein wird Ende 2023 obligatorisch. Bei der Angabe der Zutaten und der sogenannten Nährwerttabelle haben Sie als Erzeuger aber drei verschiedene Möglichkeiten. Sie können:

  1. die Zutatenliste wie den Brennwert auf das Etikett drucken.
  2. einen QR-Code auf das Etikett drucken, der auf ihr firmeneigenes »E-Label«-System auf einer Homepage verweist.
  3. einen QR-Code auf das Etikett drucken, der auf eine gemeinsame »E-Label«-Plattform führt, der Sie sich angeschlossen haben.

Was sind die Vorteile einer digitalen Lösung des »E-Labels«?

Als sich abzeichnete, dass die Angaben zu Nährwert und Zutaten obligatorisch werden sollen, hat sich die gesamte europäische Weinbranche für die Zulassung von digitalen Lösungen stark gemacht. Letztlich haben EU-Kommission, EU-Parlament und die Mitgliedstaaten diesen Gedanken zur Förderung der Digitalisierung der Branche in der neuen Gemeinsamen Marktorganisationsordnung (GMO) aufgegriffen.
Der Vorteil der digitalen Lösung: Sie bringt dem Erzeuger Flexibilität und ist für den Verbraucher benutzerfreundlich. Wir alle wissen, dass Wein – anders als andere Lebensmittel – nicht nach einem festgeschriebenen Rezept produziert wird, sondern dass Sie als Erzeuger während des Produktionsprozesses noch reagieren können müssen. Dem Wein müssen im Reifeprozess noch Stoffe zugefügt werden können, die in Zukunft in der Zutatenliste angegeben werden müssen. Haben Sie Ihr Etikett schon davor gedruckt – was in der Regel der Fall ist – müssen Sie es korrigieren und neu drucken. So entstehen erhebliche Zusatzkosten. Mit einer Online-Lösung können Sie schnell Anpassungen Ihrer Zutatenliste vornehmen – das ist in jedem Fall auch nachhaltiger.

Welche Vorteile bringt eine gemeinsame E-Label-Plattform?

Eine gemeinsame Online-Plattform ist ökonomisch sinnvoll, da der Erzeuger sich nicht um die Entwicklung einer eigenen Onlinelösung kümmern muss. Er profitiert bei einer gemeinschaftlichen Plattform davon, dass die Entwicklungskosten auf alle Nutzer umgelegt werden. Die Handhabung soll einfach werden. Ein QR-Code auf dem Etikett der Weinflasche führt direkt auf die Plattform. Idealerweise nimmt eine derartige Plattform auch über eine Schnittstelle Zugriff auf andere Datensysteme, in welche die Erzeuger bereits ihre Daten eingegeben haben. Die bereits am Markt agierende »E-Label«-Plattform »U-Label«, die aus einem Konsortium der europäischen Verbände Comité vins und Spirits Europe besteht, ist aktuell mit der Entwicklung einer Schnittstelle zu den verschiedenen GS1-Systemen beschäftigt. Aktuell läuft ein Pilotprojekt in Spanien.
Ein weiterer Vorteil: Der Erzeuger muss sich nicht mit den aktuellen und neuen rechtlichen Vorgaben auseinandersetzen, da die Plattform genau vorgeben wird, welche Stoffe und in welcher Form die Stoffe anzugeben sind.
Sofern Ihr Wein auch für den Export bestimmt ist, müssen Sie sich überlegen, wie Sie die Zutatenangaben in der jeweiligen Landessprache des Ziellandes dem Verbraucher zur Verfügung stellen. Wenn Sie sich einer Online-Plattform angeschlossen haben, wird diese die Zutatenliste in alle amtlichen Sprachen der EU automatisch übersetzen. Auch ein Vorteil für den Konsumenten: Egal wo er in Europa seinen Wein kauft, kann er auf seinem Smartphone immer seine bevorzugte Sprache wählen, um sich über die Zutaten zu informieren.   
Neben der Übersetzung in alle EU-Sprachen werden sich Plattformen durch Zeit- und Kostenersparnis für den Erzeuger auszeichnen. Kostengünstiger kann es bei der bereits auf dem Markt angebotenen Plattform »U-Label« werden, wenn der Erzeuger Mitglied im Comité vins oder Mitglied in einem der Mitgliedsverbände des Comité vins ist (z.B. im Verband Deutscher Weinexporteure (VDW)). Bei den drei vorgeschlagenen »E-Label«-Modellen (Basic, Plus, Premium) gibt es hier bereits interessante Preisnachlässe. Aktuell überlegt das Comité Vins, inwieweit ab dem Herbst bestimmte Preismodelle auch für Nichtmitgliedsverbände denkbar wären, wenn sie gebündelt eine gewisse Zahl von Anträgen für die »U-Label«-Plattform von Erzeugern vorlegen können.
Unabhängig davon, ob Sie für die Zutatenkennzeichnung Ihres Weines den klassischen Weg auf dem Etikett, eine digitale individuelle Lösung oder eine gemeinsame »E-Label«-Plattform wählen, ist es erforderlich, dass Sie sich jetzt mit diesem Thema befassen, damit Sie sich bei der Etikettierung von Weinen, die Sie ab dem Winter 2023 produzieren, auch vorschriftsgemäß verhalten können. Eine derartige Umstellung, unabhängig ob digital oder doch noch analog, benötigt zeitlichen Vorlauf.

Welche Stoffe sind kennzeichnungspflichtig?

Welche Stoffe beziehungsweise wie diese tatsächlich kennzeichnungspflichtig werden, wird die EU-Kommission in einem delegierten Rechtsakt entscheiden, der Ende September erlassen wird. Die von der EU-Kommission vorgelegten Entwürfe werden aktuell mit den Mitgliedsstaaten diskutiert.   
Als »Zutat« wird prinzipiell nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) jeder Stoff und jedes Erzeugnis, einschließlich Aromen, Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittelenzyme sowie jeder Bestandteil einer zusammengesetzten »Zutat« angesehen, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und der – gegebenenfalls in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden bleibt.
Nach dieser Definition und auch aufgrund der Rückmeldung der EU-Kommission auf Stellungnahmen der Weinbranche, ist bereits klar, dass die zur Anreicherung verwendeten Stoffe auf der Zutatenliste erscheinen müssen, auch wenn sie im Enderzeugnis nur als Alkohol – also in veränderter Form – enthalten sind. Wie kann also sichergestellt werden, dass der Verbraucher aufgrund der Angabe in der Zutatenliste nicht zwangsläufig von einem gesüßten Produkt ausgeht? Durch die Kennzeichnung »Zutat: Saccharose« oder »Zutat: Zucker« würde nicht deutlich werden, dass die Saccharose vergoren ist. Somit könnte der falsche Eindruck entstehen, die Saccharose sei dem Wein erst zur Süßung zugesetzt worden. Um das Problem einzufangen, wäre es denkbar, auf der Zutatenliste den Begriff »Vergorener Traubenmost (Trauben, Saccharose)« anzugeben. Hier wird abzuwarten sein, ob die EU-Kommission diesen Vorschlag aufgreift und so deutlich gekennzeichnet wird, dass die Zugabe der Saccharose nur der Anreicherung dient.

»E-Label« bereits in Gefahr?

Das deutsche Bundeslandwirtschaftsministerium steht leider bekanntermaßen dem Thema Digitalisierung im Zusammenhang mit der Zutatenkennzeichnung von Lebensmitteln sehr kritisch gegenüber. Auch für alkoholische Getränke hat es sich für eine Kennzeichnung der Zutaten auf dem Etikett ausgesprochen. Damit die gerade erst geschaffene Möglichkeit des »E-Labels« europaweit Erfolg hat, müssen sich die Erzeuger jetzt klar zu dieser Lösung bekennen und mitmachen. Nur wenn den politischen Entscheidungsträgern deutlich gemacht wird, dass das »E-Label« von Erzeugern und Verbrauchern akzeptiert wird, kann es langfristig erhalten bleiben. Die Zeit dafür ist knapp, die Reform der Lebensmittelinformationsverordnung, die eine Kennzeichnung auf dem Etikett vorsehen könnte, soll Ende 2024 abgeschlossen sein. Bis dahin müssen wir alle gemeinsam die Politik von der Digitalisierung überzeugt haben – am besten durch Taten!
Ausblick: Nach Abschluss der Verhandlungen zum delegierten Rechtsakt wird dieser Artikel mit näheren inhaltlichen Details zu Zutatenangaben bei Wein fortgesetzt.

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