Der Weinberg schläft trotz Corona nicht.
Wie schnell in den Zeiten von Corona Nachrichten an Aktualität verlieren, wird mir bewusst, wenn ich meinen Leitartikel aus der letzten Ausgabe des ddw aufschlage. Im Fokus standen damals noch die Absagen der ProWein und verschiedener Weinfeste sowie die Folgen der Unterbrechung von internationalen Lieferketten. Nun verlief die Entwicklung in Deutschland in den letzten zwei Wochen so dynamisch und rasant, wie es wohl keiner erwartet hätte. Sie fordert nun von jedem Einzelnen, sich in persönlicher sowie in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung gesundheitsschutzkonform zu verhalten und die Kontaktsperren einzuhalten. Die Wirtschaft und auch unsere Weinbranche stehen aktuell wohl vor ihrer härtesten Bewährungsprobe der letzten Jahrzehnte. Wir stehen daher in ständigem Kontakt zur Politik, um sie über alle bereits eingetretenen und absehbaren Auswirkungen der Corona-Krise für unsere Weinbranche informiert zu halten. Wir fordern sie zu rascher, unbürokratischer, wenn nötig auch zu unkonventioneller Hilfe für unsere betroffenen Weinbaubetriebe auf.
Auch wenn wir keine Vorstellung über die zeitliche Dimension der Krise haben, fragen wir uns, wie die Welt nach Corona aussieht.
Christian Schwörer, DWV-Generalsekretär und ddw-Chefredakteur
Der Weinberg schläft trotz Corona nicht. Der Austrieb steht in wenigen Wochen an, dann muss die Entwicklung der Reben kontinuierlich mit erheblichem Pflegeaufwand begleitet werden. Dafür standen in der Vergangenheit insbesondere auch ausländische Saisonarbeitskräfte zur Verfügung – aktuell schwierig angesichts der Grenzschließungen.
Unsere Bundesregierung hat mit dem sogenannten Corona-Paket direkt reagiert und hat in dieser Krisensituation mit einem Maßnahmenpaket (u.a. Ausweitung der 70-Tage-Regelung, Flexibilität bei Arbeitszeitregelungen, Lockerung von Hinzuverdienstgrenzen) den deutschen Arbeitsmarkt exibilisiert.
Auch zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise hat das Ministerium bereits reagiert, mit Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität – etwa mit Soforthilfen auch für Kleinbetriebe oder ausgeweiteten Möglichkeiten der Kurzarbeit. Stundungen im Bereich der Steuerzahlungen müssen auf jeden Fall auch gewährt werden. Weitere Maßnahmen werden aber, je nachdem wie lange die Krise anhält, nötig werden.
Die Betriebe müssen mit erheblichen Umsatzeinbußen, bedingt u.a. durch längerfristige Schließungen von Hotel- und Gastronomiebetrieben und eventuell bald durch das Verbot des Weinverkaufs in Vinotheken, rechnen. Wichtig ist, dass die Betriebe schnell umsteigen – auf alternative Absatzwege wie „Abholservice“, „Lieferdienste“ und „Onlinehandel“, die unter Berücksichtigung der Hygienestandards weiterhin möglich sind. Wichtig ist auch, dass wir bereits heute die Weichen für den Herbst stellen, damit wir auftretenden Marktstörungen durch Möglichkeiten der Ertragsreduzierung begegnen können. Klar ist, dass hierbei auch europäische Lösungen erforderlich sind – da ist von Vorteil, dass Deutschland die nächste Ratspräsidentschaft innehat.
Auch wenn wir keine Vorstellung über die zeitliche Dimension der Krise haben, fragen wir uns schon jetzt, wie die Welt nach Corona aussieht. Trend- und Zukunftsforscher werfen aktuell einen Blick von der Zukunft zurück ins Heute. Worüber werden wir uns rückblickend wundern? Wir werden uns wundern, wie schnell plötzlich Digitalisierung in die Praxis umgesetzt werden kann. Telefon- und Videokonferenzen, gegen die sich die Meisten gewehrt haben, stellen sich als durchaus praktikabel und produktiv heraus. Wir werden uns wundern, dass Ministerien und Behörden durchaus zu schnellem und unkonventionellem Handeln bereit sind. Wir werden realisieren, dass die Ökonomie erheblich geschrumpft ist, es aber nicht zu einem kompletten Zusammenbruch gekommen ist. Wir werden auch zur Erkenntnis gelangen, dass wir trotz der Vorteile der Globalisierung zukünftig auch wieder auf ortsnahe Produktionen setzen müssen in unseren Produktionsstätten wieder Zwischenlager, Depots und Reserven einrichten. Der Trend wird zur Lokalisierung des Globalen gehen.
Ich wünsche uns allen, dass wir möglichst schnell diesen Blick aus der Zeit nach Corona zurück ins Heute werfen können.